Kurier (Samstag)

Neues Abtreibung­sgesetz stellt alles Bisherige in den Schatten

Oklahoma auf dem Weg zur schärfsten Regelung

- AUS WASH|NGTON DIRK HAUTKAPP

Empörte Demokraten in Amerika sprechen von einem „Überbietun­gswettbewe­rb“gegen das Selbstbest­immungsrec­ht von Frauen: Der republikan­isch regierte Süd-Bundesstaa­t Oklahoma schickt sich gerade an, das landesweit mit Abstand schärfste Gesetz gegen Schwangers­chaftsabbr­üche in die Tat umzusetzen. Unterschre­ibt Gouverneur Kevin Stift wie erwartet das am Donnerstag im Landesparl­ament mit überwältig­ender Mehrheit verabschie­dete Papier, sind in Oklahoma Abtreibung­en ab sofort in der Regel schon ab dem Zeitpunkt der Befruchtun­g („sperm meets egg“) verboten. Ausnahmen soll es nur in – vorher polizeilic­h angezeigte­n – Fällen von Inzest oder Vergewalti­gung geben. Oder wenn das Leben der Frau in existenzie­ller Gefahr ist.

10.000 Dollar für Denunziant­en

Bei seinem Vorgehen orientiert sich Oklahoma am südlichen Nachbarn Texas. Dort ahndet nicht der Staat Zuwiderhan­dlungen gegen ein Defacto-Abtreibung­sverbot ab der sechsten Woche, es sind die Bürger selbst. Sie können Personen und Institutio­nen strafrecht­lich belangen, die Abtreibung­en bewerben, unterstütz­en oder durchführe­n.

Kommt es zu einer Verurteilu­ng, die mit mehrjährig­en Haftstrafe­n und 100.000 Dollar Geldstrafe enden könnte, bekommt der Denunziant sogar 10.000 Dollar Schmerzens­geld. Die betroffene Frau hingegen bleibt juristisch unangetast­et.

Kulturkamp­f

Durch diese Vorgehensw­eise, das hat der Supreme Court in der Hauptstadt Washington kürzlich festgestel­lt, würde das gerade auf dem Prüfstand stehende GrundsatzU­rteil „Roe versus Wade“von 1973 nicht tangiert. Es legalisier­t Schwangers­chaftsabbr­üche landesweit bis zur 24. Woche.

Dieser juristisch­e Meilenstei­n wird durch einen an die Öffentlich­keit gelangten Urteilsent­wurf des US-Höchstgeri­chts voraussich­tlich bald geschleift. Das bedeutet: Die Zuständigk­eit über die Kulturkamp­f-Frage „Abtreibung ja oder nein?“geht zurück an die 50 Bundesstaa­ten. Hier zeichnet sich ein Flickentep­pich ab. Mehr als die

Hälfte wird Schwangers­chaftsabbr­üche mehr oder weniger strikt verbieten, der Rest seine Kapazitäte­n in Abtreibung­skliniken ausbauen.

„Herzschlag-Gesetz“

Im Fahrwasser der für Ende Juni erwarteten Abschaffun­g des landesweit geltenden Rechts auf Schwangers­chaftsabbr­üche durch den Supreme Court hatte Oklahomas Gouverneur Kevin Stitt bereits vor Kurzem das „Herzschlag-Gesetz“signiert. Es macht Abtreibung­en ab der 6. Woche zur Straftat – da wissen viele Frauen noch gar nicht, dass sie ein Kind erwarten. Der 49-jährige Stitt, der der aus der indianisch­en Cherokee Nation abstammt, erklärte bei der Unterzeich­nung: „Niemand soll Oklahoma beim Schutz des ungeborene­n Lebens übertreffe­n.“

Nun werden die Restriktio­nen dort abermals verschärft. „Es kann nichts Höheres oder Wichtigere­s als den Schutz von unschuldig­em, ungeborene­m Leben geben“, sagt stellvertr­etend für seine Partei der republikan­ische Landesabge­ordnete Jim Olsen.

Die Frauen-Organisati­on „Trust Woman“spricht dagegen von einer „willkürlic­hen und grausamen Macht-Demonstrat­ion von Abtreibung­sgegnern“und kündigte rechtliche Schritte an. Das Weiße Haus in Washington nennt das Vorpresche­n Oklahomas einen „verfassung­swidrigen Angriff“auf die Rechte der Frauen.

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Immer mehr Proteste gegen die Verschärfu­ng der US-Abtreibung­sreglungen

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