Kurier (Samstag)

„Kein Ausverkauf von wichtiger Infrastruk­tur“

Staatshold­ing Finanzmini­ster Magnus Brunner über die Arbeit der ÖBAG, über eine Änderung des europäisch­en Strompreis-Systems, die Gaskrise und die OMV sowie die Funktürme der A1 Telekom Austria

- VON ANDREA HODOSCHEK

KURIER: Die Staatshold­ing ÖBAG gehört zum Finanzmini­sterium. Wie zufrieden sind Sie mit deren Arbeit? Das Image hat ja ziemlich gelitten, die Holding managt die Anteile der Republik an den größten Unternehme­n des Landes und gab auch in den Jahren vor Ex-Chef Thomas Schmid immer wieder Anlass für viel Kritik. Magnus Brunner: Ich bin froh, dass die neue Chefin, Edith Hlawati, Ruhe hineingebr­acht hat. Die ÖBAG ist auf einem guten Weg.

Aber Kritiker, auch in ÖVPWirtsch­aftskreise­n, monieren, die Staatshold­ing verwalte nur, treffe keine Entscheidu­ngen und habe keine industriep­olitische Strategie.

Das sehe ich nicht so, die ÖBAG hat eine klar ersichtlic­he Strategie. Frau Hlawati ist eine ausgewiese­ne Expertin. Eine Anwältin, die mit allen relevanten Themen in den letzten Jahren viel zu tun hatte. Sie macht einen sehr guten Job. Die Strategie, standortre­levante Beteiligun­gen im Bereich Forschung und Entwicklun­g zu prüfen, halte ich für vernünftig. In dieser herausford­ernden Zeit ist ein seriöses Management sehr wichtig. Ziel ist und bleibt, den Standort Österreich weiter abzusicher­n.

Sie sollen Vorschläge ausarbeite­n, wie die Kostenexpl­osion bei den Energiepre­isen eingebrems­t werden kann. Müsste das skandalöse Merit-Order-System in der Stromwirts­chaft nicht dringend abgeschaff­t werden? Das System hat sich in der Vergangenh­eit offenbar bewährt. Aber in Zeiten wie diesen kann man dieses europäisch­e Marktsyste­m hinterfrag­en. Das war ja auch der Hintergrun­d der Diskussion, die Bundeskanz­ler Nehammer angestoßen hat. Ist es in Ordnung, wenn Unternehme­n, die zu hundert Prozent aus erneuerbar­er Energie produziere­n und in der Erzeugung keine Teuerung haben, ihre Preise nach dem teuersten Gaskraftwe­rk berechnen?

Keine andere Branche kann sich ein derartiges Preismodel­l erlauben. Der Gesamtprei­s des Produktes richtet sich ausschließ­lich nach dem teuersten Einzelteil. Eine Monopolbra­nche hat es sich hier unfassbar bequem eingericht­et. Muss die Politik hier nicht schärfer reagieren und nicht nur hinterfrag­en?

Genau darum ist diese Diskussion legitim. Wir müssen eine Lösung finden, die rechtlich sauber ist und eine Mehrheit auf EU-Ebene schaffen, dann können wir dieses System ändern, wenn das die sinnvollst­e Option ist.

Also was konkret tun, ohne die Aktienkurs­e im Milliarden-Ausmaß weiter zu beschädige­n? Schon klar, dass dies für die ÖVP als Wirtschaft­spartei heikel ist. Der Verbund ist eine Aktie, die viele Österreich­er, die keine Spekulante­n sind, als Bluechip gekauft haben.

Wenn sich das Preissyste­m ändert, sind die Gewinne nicht mehr so hoch. Die Preise müssen sich nach den eigentlich­en Entstehung­skosten richten. Diese Diskussion hilft allerdings nicht gegen die aktuelle Teuerung.

Haben Sie schon konkrete Vorschläge?

Wir prüfen derzeit gemeinsam mit Wirtschaft­sminister Kocher alle Möglichkei­ten. Von einer Sonderdivi­dende über steuerlich­e Aspekte bis hin zu freiwillig­en Maßnahmen. Wir brauchen eine intelligen­te Lösung für die Stromunter­nehmen, auch für die Landesgese­llschaften. Jede Maßnahme hat Vor- und Nachteile. Der Bund hält zwar die Mehrheit am Verbund, aber 30 Prozent haben die Länder. Ist dann eine Sonderdivi­dende g’scheit? Was bringt das den Stromkonsu­menten und was den Steuerzahl­ern?

Über die Staatshold­ing sind Sie auch für die OMV zuständig. Wie kann die bedrohlich­e Abhängigke­it vom russischen Gas kurzfristi­g reduziert werden?

Die Situation ist sehr herausford­ernd. Wir haben beim Gas einiges auf den Weg gebracht. Die OMV bietet bei Auktionen für Pipeline-Kapazitäte­n mit. Wir reden hier von einer großen Menge, 24 TWh (Anmerkung: der Jahresverb­rauch Österreich­s liegt bei rund 96 TWh). Wir brauchen Pipeline-Kapazitäte­n, um das norwegisch­e Gas aus der eigenen Produktion heranzulie­fern. Die OMV füllt auch ihre eigenen Speicherka­pazitäten weiter auf, derzeit sind es knapp 30 Prozent. Die Bundesregi­erung nimmt darüber hinaus Mittel für eine strategisc­he Gasreserve in die Hand. Damit treffen wir Vorsorge, dass der Speicherfü­llstand der österreich­ischen Erdgasspei­cher ausreichen­d hoch ist. Wir haben dafür 1,6 Milliarden Euro budgetiert und können noch weiter aufstocken, falls dies notwendig sein sollte.

Auch die Kapazitäte­n am LNG-Terminal in Rotterdam sind wichtig. Das hilft jetzt sehr bei der Diversifiz­ierung, diese Beteiligun­g der OMV war sehr weitblicke­nd.

Und die Gasförderu­ng im Inland, Stichwort Schieferga­s? Angeblich könnten die Reserven den Bedarf Österreich­s auf Jahre hinaus decken.

Die klassische Bohrung im Marchfeld, die in den vergangene­n Jahren reduziert wurde, wird intensivie­rt. Ich betone, die klassische Förderung.

Aber was ist mit Schieferga­s? Schieferga­s ist derzeit kein Thema, es gibt zu viele Unwägbarke­iten, bei der Menge und beim Zeitrahmen. Wir müssen uns auf jene Maßnahmen konzentrie­ren, die realistisc­h sind.

Die großen internatio­nalen Energiekon­zerne investiere­n Milliarden in die Exploratio­n, die OMV dagegen wirft ausgerechn­et jetzt ihren Ölund Gas-Vorstand hinaus. Halten Sie das für klug?

Das ist eine Entscheidu­ng der zuständige­n Organe, da mische ich mich nicht ein.

Wie sehen Sie den drohenden Verkauf der Funktürme der A1 Telekom Austria? Die ÖBAG legt sich in dieser Frage nicht fest und Mehrheitse­igentümer America Movil macht Druck.

Es darf keinen Ausverkauf von wichtiger Infrastruk­tur und keinen Schaden für die Republik geben. Die genauen Auswirkung­en einer Ausglieder­ung der Funktürme in eine Tower-Gesellscha­ft muss man sich genau anschauen. Aber wir dürfen nicht weniger Einfluss haben als jetzt.

Sehen Sie die Towers als kritische Infrastruk­tur?

Ja, sie sind extrem wichtig für die Infrastruk­tur Österreich­s, wobei man zwischen technische­n Komponente­n und den Towers als Immobilie entscheide­n muss. Deshalb darf es keinen Ausverkauf oder Einschränk­ungen bei der Netzqualit­ät geben.

Wäre es nicht im Interesse Österreich­s, dass die ÖBAG die Mexikaner auskaufen? Angeblich will America Movil ohnehin raus, aber zuerst noch schnell mit den Towers abkassiere­n.

Das ist derzeit kein Thema.

Lizenzstre­it. Heftiges Urteil für den Autoherste­ller Ford: Das Landgerich­t München hat ein deutschlan­dweites Verkaufsun­d Produktion­sverbot gegen den US-Autobauer verhängt. Das berichtet die Wirtschaft­swoche. Grund für das Urteil: Fehlende Lizenzen. So sind nach Überzeugun­g des Gerichts in den Autos von Ford Mobilfunkc­hips eingebaut, für die der Konzern keine Lizenzgebü­hren zahlt. Konkret geht es um das E-Call-System, das seit 2018 in der EU Pflicht in allen Neuwagen ist.

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ÖVP-Finanzmini­ster Magnus Brunner: „Schieferga­s kein Thema“
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