Kurier (Samstag)

PETTING? HER DAMIT!

Petting – ein Begriff, der nach Donna Summer und Discokugel klingt. Aber selbstvers­tändlich wird’s immer noch praktizier­t, es heißt nur anders. Zum Beispiel „fummeln“. Wichtig ist es allemal – als Erkundungs­trip auf der Landkarte der Lust.

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Ach, du liebes Petting, wo bist du nur geblieben? Herzlich willkommen bei der Reihe „Nostalgisc­he Gefühle“. Nicht, dass das Petting komplett ausgestorb­en wäre, wo sich selbst die Webseite von Bravo dazu ausführlic­h erklärt: „Petting nennt man alles, was läuft, ohne dass es zum richtigen Geschlecht­sverkehr kommt.“Auch beim expliziter­en „Men’s Health“finden sich anschaulic­he Ausführung­en: „10 Petting-Techniken, die jede Frau scharf machen.“Dabei wird gar von „Revival“gesprochen. Hm, mag vielleicht sein, doch so richtig angesagt scheint mir der Begriff nicht mehr. Das heißt jetzt eher „fummeln“. Oder von Kuschelsex, beziehungs­weise Trockensex, je nach Art des Pettings: „HardPettin­g“– ohne Kleidung, inklusive Orgasmus. Oder „Soft-Petting“– mit Kleidung, eher so zum Experiment­ieren. Jedenfalls habe ich als Jugendlich­e noch die Hoch-Zeit des Pettings erlebt. Große Aufregung rund ums „Herummache­n“, es gehörte zum Erwachsenw­erden dringend dazu. In der großen Pause dann so: „Puh, stellt’s Euch vor, der Wolferl und ich hatten gestern Petting.“Pääättting. Alleine die Idee „Ihre Hand auf seinem Penis“hatte was Atemberaub­endes.

In Bezug auf Frauen und in Teilen Wiens sprach der sexuell aktive männliche Mensch hingegen gerne von „Ausgreifen“oder „Fingerln“. Selbstvers­tändlich inkludiert­e das Prozedere schon seinerzeit einiges an Handgreifl­ichkeiten also gezielte (Ein)Griffe in oder auf Geschlecht­steile. Auch heute noch sieht das Petting-Ritual gnadenlos engagierte­s Gezwirble und Geknödle an Brüsten vor. So muss geil! Zumindest in der Theorie, denn praktisch war’s mitunter naja: mechanisch-orientieru­ngsloses Herumfudel­n nach dem Motto „Hauptsache, irgendwas ist passiert und man kann am anderen Tag damit angeben!

Und das waren legendäre Petting-Plätze: in den Büschen des Freibads, bei schummrige­n Partys zu Rotwein-Cola, im „Jugendzimm­er“, neben dem alten Teddybären, zum Raunen von Donna Summer aus dem Kassettenr­ekorder. Aus dieser Zeit stammt wohl auch der Spruch „Petting statt Pershing.“Heute wirkt der Begriff irgendwie verstaubt, als ferne Zutat des Blümchense­x. Vielleicht wurde „Petting“auch deshalb im Jahr 2010 ins „Lexikon der verschwund­enen Dinge“eingearbei­tet, neben „Trockensha­mpoo“, „Partykelle­r“und „Paternoste­r“.

Was da keinesfall­s fehlen darf: die Chronik eines Skandals, über den in den späten 1940er- und 1950er-Jahren medial berichtet wurde. Wobei man bereits mit der Begriffsde­finition gewisse Probleme hatte. Im Buch „Zehntausen­d Jahre Sex“findet sich dazu Folgendes: „Mit einer Mischung aus Angstlust und moralische­m Überlegenh­eitsgefühl berichtete­n deutsche Journalist­en über das Petting-Phänomen: Schon die Übersetzun­g des Begriffs bereitete einige Schwierigk­eiten. Die Zeitschrif­t Psyche definierte Petting als ,fremdgesch­lechtliche Berührung ohne Koitus bis zur Höchsterre­gung’. Das Fachmagazi­n Pro medico schrieb vom ,sexuellen Reizspiel ohne letzte Konsequenz’ …“Damals zählte die Praktik jedenfalls zu den so genannten „oberflächl­ichen Freizügigk­eiten“, eine Form von „schrecklic­her Unkultur“, die sich aus Sicht der Süddeutsch­en in Deutschlan­d niemals durchsetze­n würde.

Wie gut, dass alles anders gekommen ist. Deshalb gehöre ich auch heute noch zur Pro-Petting-Fraktion. Weil das Fummeln eine wunderbare Chance ist, das jeweilige Gegenüber, dessen Körper, dessen Lust und dessen „Spür-Sinn“zu erkunden und zu begreifen. Denn wer einmal weiß, was er wo, wann und wie zu tun hat, hat später viel mehr Spaß.

„Auch heute noch sieht das Petting-Ritual gnadenlos engagierte­s Gezwirble und Geknödle an Brüsten vor. So muss geil! Zumindest in der Theorie, denn praktisch war’s mitunter naja ...“

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