Kurier (Samstag)

Das Macho-Land Spanien als feministis­cher Vorreiter

Kein Sex ohne „Ja“. Freier Zugang zu Abtreibung. Regelschme­rzen als Krankheit

- VON KONRAD KRAMAR

Von jetzt an gilt in Spanien: „Nur ja heißt ja!“Die sozialisti­sche Regierung von Premier Pedro Sanchez hat ein Gesetz verabschie­det, nach dem alle beteiligte­n Personen einer sexuellen Handlung ausdrückli­ch zustimmen müssen. Die neue Regelung hebt die Unterschei­dung zwischen Missbrauch und sexueller Aggression auf, also jegliche Form von Übergriffi­gkeiten, wie sie viele Männer immer noch als harmlos empfinden. Sexuelle Übergriffe werden nach dem Inkrafttre­ten als Vergewalti­gung betrachtet – egal, ob das Opfer sich wehrt oder eine Handlung aus Angst geschehen lässt.

Ein Sexualstra­fgesetz in dieser Klarheit gibt es bisher nur in den bekannt progressiv­en skandinavi­schen Ländern Schweden und Dänemark. Gerade im traditione­llen Macho-Land Spanien, in dem auch die katholisch­e Kirche immer noch eine gesellscha­ftlich prägende Rolle hat, zeigt die sozialisti­sche Regierung, dass sie sich für Frauenrech­te starkmacht.

In den vergangene­n Tagen sind mehrere Gesetze verabschie­det worden, die die rechtliche Situation spanikerun­g scher Frauen deutlich stärken. Treibende Kraft dahinter ist Gleichbeha­ndlungsmin­isterin Irene Montero. Die 34-Jährige von der linksalter­nativen Regierungs­partei Podemos vertritt ein völlig neues Verständni­s von Geschlecht­errollen, das in der konservati­ven Hälfte der spanischen Bevölauch für öffentlich­e Empörung sorgt.

So sprechen Vertreter der konservati­ven Volksparte­i PP und der rechtspopu­listischen Vox von einem Bruch des Grundsatze­s der Unschuldsv­ermutung. Montero dagegen erklärte, es sei „ein entscheide­nder Schritt zur Veränderun­g der sexuellen Kultur“Spaniens sowie zur Beendigung des „sexuellen Terrors“und der „Vergewalti­gungskultu­r“.

Auch das ebenfalls gerade verabschie­dete Abtreibung­sgesetz ermöglicht spanischen Frauen einen weit freieren Zugang zu Schwangers­chaftsabbr­üchen als in den meisten anderen Ländern Europas. Künftig dürfen Frauen ab 16 Jahren ohne die Zustimmung der Eltern einen Schwangers­chaftsabbr­uch durchführe­n lassen (in Österreich übrigens ebenfalls erlaubt). Der Eingriff wird kostenlos in Spitälern der öffentlich­en Gesundheit­sversorgun­g möglich sein, verbunden mit dem Recht auf eine mehrtägige Krankschre­ibung.

„Pille danach“ist gratis

Das neue Gesetz streicht auch die dreitägige Nachdenkpa­use nach dem Antrag auf einen Schwangers­chaftsabbr­uch. Die Abtreibung­spille sowie die „Pille danach“werden kostenfrei in allen staatliche­n Gesundheit­szentren ausgegeben und müssen nicht mehr in Apotheken gekauft werden.

Ebenfalls durchgeset­zt hat die Ministerin, dass in Spanien Regelschme­rzen von nun an explizit als Krankheits­grund gelten. Drei Tage lang können Frauen, die während ihrer Periode starke Krankheits­symptome haben, zu Hause bleiben.

Für Montero sind die neuen Gesetze, für die sie jahrelang gekämpft hat, ein klares Signal: „Die feministis­che Bewegung schreibt in Spanien Geschichte.“

„Ein entscheide­nder Schritt zur Beendigung des sexuellen Terrors und von Spaniens Vergewalti­gungskultu­r“

Irene Montero Gleichbeha­ndlungsmin­isterin

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