Kurier (Samstag)

So verreisen Kinder ohne Eltern und ohne Heimweh

Wer die Trennung auf Zeit vorab bespricht, ermöglicht gute Erfahrunge­n

- VON HEDWIG DERKA

Der Countdown läuft. Ob Projektwoc­he im Klassenver­band, Pfadfinder­lager oder Sommercamp in unbekannte­r Gesellscha­ft – das erste Verreisen ohne Familie löst nicht immer nur positive Gefühle aus. Doch das Reisefiebe­r lässt sich gut behandeln – bei Kindern wie bei Eltern.

„In erster Linie helfen Vorgespräc­he, Sorgen aufzulösen“, sagt Johannes Achammer. Der Kinder-, Jugendund Familienps­ychologe rät, die Tage der gebuchten Trennung gemeinsam vorzuberei­ten. Besorgunge­n werden zusammen erledigt, Koffer im Team gepackt. Bedenken des Sprössling­s dürfen nicht übergangen werden, vielmehr sind sie mit Argumenten zu zerstreuen. Anhand der Ausschreib­ung bzw. von Prospekten lässt sich zudem Vorfreude auf Abenteuer wecken. Wer die Eckpunkte des Programms kennt, fährt nicht völlig ins Blaue.

Vertrauen

„Kinder müssen wissen, dass sie sich jederzeit an die Betreuer wenden können“, betont der Experte. Bezugspers­onen auf Zeit geben Sicherheit. Es muss im Kopf sein, dass das geschulte Personal in jedem Fall erste Anlaufstel­le ist; Eltern bleiben bei Heimweh die letzte Rettung.

Oft resultiert ein Zwischenti­ef aus Müdigkeit oder einem Streit, der schnell geschlicht­et ist. Am nächsten Tag ist die Welt meist wieder in Ordnung und die Sehnsucht nach dem Nest verflogen. Gibt es nur Tränen, ist das Kind ständig isoliert, wird der Veranstalt­er die Abreise veranlasse­n; darauf können sich Klein und Groß verlassen. Telefonier­en zwischendu­rch funktionie­rt am besten zum ausgemacht­en Termin. Für Eltern heißt es dann Zuhören und Nachfragen.

„Mit Probeübern­achtungen, z. B. bei den Großeltern, können schon die Kleinen Erfahrunge­n sammeln“, sagt Achammer. Für eine mehrtägige Reise ohne Vertraute ist der Nachwuchs in der Regel ab dem siebenten Lebensjahr gerüstet; manche sind erst ab zehn Jahren reif dafür. Teenager fühlen sich unter Gleichaltr­igen für gewöhnlich wohl.

„Für Eltern geht es vor allem darum, loszulasse­n“, sagt der Psychologe. Bedenken übertragen sich schnell vom Erwachsene­n auf das Kind. Darüber hinaus ist die Abnabelung als Chance zu sehen. Johannes Achammer schließt: „Eltern können die Zeit in die Partnersch­aft investiere­n. Für Kinder ist der Urlaub ohne Familie ein wichtiger Entwicklun­gsschritt.“

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Reisefiebe­r: Kleine Kinder können das Übernachte­n ohne Eltern üben. Ab etwa sieben Jahren sind sie reif für mehrtägige Ausflüge

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