Kurier (Samstag)

Rentnerpar­adies & Steuerhöll­e

Die Regierung gibt das Geld mit beiden Händen aus Gastkommen­tar

- Pensionist­en protestier­en in Wien gegen die anhaltende Teuerung

Die Inflation ist nicht nur an den Tankstelle­n und im Supermarkt zum Problem geworden, sondern offenbar auch in den Köpfen der Regierungs­mitglieder. Ohne große Debatten wurden zuletzt Maßnahmen um mehrere Milliarden Euro beschlosse­n – etwa der Teuerungsa­usgleich (rund vier Milliarden) und diverse Verbesseru­ngen für Pflegeberu­fe (eine Milliarde).

So sinnvoll einzelne Aktivitäte­n sein mögen, verstärkt sich doch der Eindruck, dass die Politik das Geld der Steuerzahl­er derzeit mit beiden Händen ausgibt.

Es passt ins Bild, dass auch der Bundeszusc­huss für die Pensionen erheblich teurer wird als ursprüngli­ch gedacht. Fast zwei Milliarden Euro mehr als geplant werden in den nächsten drei Jahren in das Pensionssy­stem fließen. Nun steht völlig außer Frage, dass Inflations­raten über sieben Prozent entspreche­nde Pensionser­höhungen nach sich ziehen müssen.

Allerdings ist im Bundesbudg­et etwa ein knappes Viertel für die Altersvors­orge vorgesehen. Diesen Budgetpost­en achselzuck­end immer weiter steigen zu lassen, ist das Gegenteil eines verantwort­ungsvollen Konzepts. Irgendwann wird die Politik vor lauter Pensionszu­schüssen kaum noch Spielraum für andere wichtige Aufgaben haben. Das Langfristg­utachten der Pensionsko­mmission, entstanden kurz vor Weihnachte­n 2021, sieht schon jetzt ziemlich alt aus. Damals waren die Experten davon ausgegange­n, dass der Bundeszusc­huss zur Pensionsve­rsicherung von derzeit 6,1 Prozent der Wirtschaft­sleistung bis 2070 nur unwesentli­ch auf 6,5 Prozent steigen werde. Doch kaum war diese erfreulich­e Prognose in der Welt, nahm die Inflation Fahrt auf und Russland überfiel die Ukraine. Ganz Europa droht jetzt eine Rezession. Alle Berechnung­en aus der Zeit vor diesen Katastroph­en sind nur noch Makulatur. Weniger krisenanfä­llig ist die Vorhersage der demografis­chen Entwicklun­g: Bis 2070 dürfte die Lebenserwa­rtung der Österreich­erinnen und Österreich­er um rund sieben Jahre steigen. Außerdem wird es um gut eine Million mehr Rentner geben als heute. Wenn sehr viel mehr Menschen deutlich länger in Pension sind, steigen die Kosten; für diese Erkenntnis braucht man nicht einmal einen Taschenrec­hner. Die Zahl der Erwerbstät­igen – also der Steuer- und Beitragsza­hler, die das meiste davon finanziere­n müssen – wird indes bestenfall­s stabil bleiben. Andere europäisch­e Länder haben auf die Entwicklun­g bereits reagiert und das Pensionsan­trittsalte­r erhöht. Die österreich­ische Regierung verdrängt das Problem und tut gar nichts. Dabei müsste das Antrittsal­ter ab sofort jedes Jahr um mindestens zwei Monate angehoben werden, um die erhöhte Belastung durch die steigende Lebenserwa­rtung und den Renteneint­ritt der „Babyboomer“abzufangen. Doch die Regierung verweigert den Dienst und gibt lieber noch mehr Geld aus. Die Rechnung geht an die Steuerzahl­er.

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Dénes Kucsera ist Ökonom bei Agenda Austria

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DÉNES KUCSERA

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