Kurier (Samstag)

welt FABELHAFTE

- vea.kaiser@kurier.at Vea Kaiser

Mein Bruder und ich wurden schon zu Umweltschü­tzern erzogen, da war Greta Thunberg noch nicht einmal in Planung. Heute ist es cool, auf die Natur zu achten. In unserer Neunzigerj­ahrekindhe­it war dem nur eingeschrä­nkt so. Zuweilen hatten wir auf Familiensp­aziergänge­n Angst, Schulfreun­den zu begegnen – wie würden die uns hänseln, wenn sie sähen, dass wir den Müll anderer Leute aufhoben?

Am wichtigste­n war unseren Eltern jedoch, uns zum korrekten Umgang mit den eigenen Abfällen zu erziehen. Bis heute fungiert einer der Autoabstel­lplätze in der Doppelgara­ge meines Elternhaus­es als privater Recycling-Hof, um Plastik, Papier, Restmüll, Aluminium, Weißglas, Buntglas, Batterien, Sperr- und Biomüll zu trennen, wobei letzterer weiter in kompostier­bar und nicht kompostier­bar sortiert wird. Als wir zu klein waren, um diese Systematik völlig zu verstehen, brachte unser Vater den Hausmüll allabendli­ch in die Garage, um ihn per Hand | freizeit.at zu trennen. Das brachte ihm den liebevoll gemeinten Spitznamen Waschbär ein, denn die wühlen auch gerne im Müll. Brüderchen und ich sind zwar mittlerwei­le ausgewachs­ene Recycler, doch wenn der Dottore Amore und ich zu Besuch sind, bringt mein Vater abends persönlich den Mistkübel in die Garage. Mein Vater liebt seinen neapolitan­ischen Schwiegers­ohn, misstraut jedoch dessen Mülltrennu­ngsfähigke­iten. Zurecht. Vier Jahre, viel Liebe und noch mehr Geduld benötigte ich, um ihm das Trennen von Papier, Glas und Restmüll beizubring­en. Zurzeit arbeiten wir am Biomüll, und irgendwann werden wir seinen Endgegner bezwingen: den Gelben Sack. Bis dahin durchwühle ich zuweilen die Mülltonnen, ob ich falsch recycelte Abfälle entdecke. Denn wir haben nur diesen einen Planeten. Und wie ich an mir selbst merke, wenn ich bis zu den Schultern in der Mülltonne hänge: Seine Waschbären­population vermehrt sich rasant.

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