Kurier (Samstag)

Warum die Infektione­n jetzt wieder steigen

Faktoren. Die Ausbreitun­g der infektiöse­ren Omikron-Subvariant­en BA.4/BA.5 ist nur ein Grund. Denn die Immunität durch Impfung oder Infektion geht zurück. Der Schutz vor schweren Verläufen bleibt aber hoch

- VON ERNST MAURITZ

„Wir sagen seit Monaten, dass irgendwann um diese Zeit das untere Ende der Badewanne erreicht ist und es mit den Infektione­n wieder nach oben geht. Aber auf den Tag genau ist das nicht vorherzusa­gen“, sagt Simulation­sforscher Niki Popper. Die jüngste Vorhersage des Covid-Prognoseko­nsortiums vom Dienstag ging noch für die Mehrheit der Bundesländ­er von einer Fortsetzun­g eines leichten Abwärtstre­nds für Infektione­n und Spitalsbel­egung aus. Doch bei den Infektione­n (nicht den Spitalszah­len) scheint es damit vorbei zu sein: In den vergangene­n drei Tagen lag die Zahl der täglich gemeldeten Fälle erstmals seit 19.5. wieder über 3.000. Und seit einer Woche steigt die Sieben-Tages-Inzidenz leicht.

! Neue Subvariant­en

In Portugal sind die neuen Omikron-Subvariant­en BA.4/BA.5 bereits dominant, sie sind noch infektiöse­r als BA.2. Ihr Wachstumsv­orteil gegenüber BA.2 wird auf 40 % geschätzt. „Die Verdopplun­gszeit beträgt zwölf Tage, binnen weniger Wochen könnten diese Subvariant­en also auch bei uns dominant sein“, sagt Komplexitä­tsforscher Peter Klimek. Allerdings ist die Verteilung „ziemlich unterschie­dlich“: In Wien liegt ihr Anteil bei 15 %, in der Steiermark oder Oberösterr­eich sind es unter 1 %, österreich­weit 8 Prozent. „Gleichzeit­ig ist die Zahl der BA.2-Fälle rückläufig.“Doch die neuen Varianten sind nicht der einzige Grund für den Infektions­anstieg.

! Sinkende Immunität Für Niki Popper ist das „der zentrale Aspekt, und BA.4/BA.5 kommen verstärken­d hinzu“. Er veröffentl­icht regelmäßig mit seinem Team auf dexhelpp.at eine modellbasi­erte Schätzung des Immunisier­ungsgrades gegen Omikron BA.2 (durch Impfung oder Infektion). Am 1. Juni waren das 61 % der Bevölkerun­g. „Im Laufe der vergangene­n Wochen ist der Wert merklich gefallen“– weil der Abstand zur letzten Impfung oder Infektion größer wird. Wobei das nur den Schutz vor Infektion betrifft: „Der Schutz vor schweren Verläufen ist viel höher.“

! Saisonalit­ät ausgeschöp­ft Frühjahr und Sommer bremsen die Infektione­n. „Aber diese klimatisch­en Effekte haben wir mittlerwei­le voll eingepreis­t in unseren Modellen, es gibt jetzt keinen zusätzlich­en bremsenden Effekt mehr“, sagt Klimek.

! Nur treibende Effekte

„Die Zeichen stehen auf Anstieg, weil es derzeit nur Faktoren gibt, die die Zahlen antreiben. Der stabile Rückgang der Infektione­n hat ziemlich schnell aufgehört.“Die seit 1. 6. geltende weitgehend­e Abschaffun­g der Maskenpfli­cht liege aber zu kurz zurück, um schon eine Auswirkung auf den Anstieg zu haben. „Aber insgesamt gibt es keine bremsenden Maßnahmen mehr.“Wobei Klimek jetzt nicht für eine Maskenpfli­cht ist: „Die macht im Sommer wenig Unterschie­d. Wichtig wäre es aber, die Impflücken zu schließen.“

Der Komplexitä­tsforscher will noch nicht von einer kommenden „Welle“sprechen: „Es ist davon auszugehen, dass wir in eine Phase mit einer höheren Inzidenz gehen. Ob die Inzidenz aber so hoch wird, dass es wieder anstrengen­d mit der Versorgung der Patienten wird, da wäre ich mit einer Einschätzu­ng noch sehr zurückhalt­end.“Popper: „Im Sommer werden die Zahlen jedenfalls nicht so stark steigen wie im Herbst.“

 ?? ?? In Portugal ist die Subvariant­e BA.5 bereits dominant, gleichzeit­ig liegen viele Impfungen länger zurück, die Immunität sinkt
In Portugal ist die Subvariant­e BA.5 bereits dominant, gleichzeit­ig liegen viele Impfungen länger zurück, die Immunität sinkt

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