Affenpockenvirus hat die Börse befallen
Die Sorge vor einer Ausbreitung der seltenen Krankheit ruft Spekulanten auf den Plan. Bei den Impfstoff-Herstellern zog ein bayerisch-dänisches Biotech-Unternehmen das große Los
Neues Virus, neue Ängste, neues Business: Das Auftreten vermehrter Fälle der seltenen, weil an sich auf Afrika begrenzten, Affenpocken sorgt nicht nur bei Gesundheitsbehörden für Nervenflattern, sondern auch an den Börsen. Obwohl die Weltgesundheitsorganisation WHO derzeit keine Notwendigkeit für Massenimpfungen gegen die meist harmlos verlaufende Viruserkrankung sieht, wittern Spekulanten schon das große Geschäft.
Um gegen einen größeren Ausbruch gewappnet zu sein, werden Impfstoffe und Medikamente in hohen Mengen benötigt. Im Fokus stehen daher Pharmafirmen, die bereits über Pocken-Impfstoffe verfügen oder welche entwickeln. Im Fall der Affenpocken gibt es bisher weltweit nur einen einzigen zugelassenen Impfstoff. Dieser stammt nicht von einem „Big Pharma“, sondern vom wenig bekannten bayerisch-dänischen Impfstoffspezialisten Bavarian
Nordic aus Martinsried bei München. Der von den Deutschen entwickelte Vektor-Impfstoff Jynneos ist seit 2019 in den USA und Kanada gegen Affenpocken zugelassen und hat eine kuriose Vorgeschichte. Die USA befürchteten nach den Anschlägen vom 11. September 2001 einen Terrorangriff mit Pockenviren
und wollten die gesamte Bevölkerung durchimpfen. Weil die älteren Pockenimpfstoffe erhebliche Nebenwirkungen hatten, erhielt Bavarian den Zuschlag für einen neuen Impfstoff. Aus der Durchimpfung wurde zwar nichts, aber seither ist Bavarian gut im Geschäft. In Europa ist Jynneos unter dem
Namen Imvanex bisher nur gegen Menschenpockenviren zugelassen.
Vakzin-Bestellungen
Nach Auftreten der ersten Affenpocken-Fälle begannen die US-Gesundheitsbehörden mit der Ausgabe des Impfstoffes und bestellten Millionen Dosen für 2023 und 2024 nach. Auch Deutschland und Spanien schlossen vorsorglich Lieferverträge mit Bavarian Nordic ab. Deutschland bestellte zunächst 40.000 Dosen, worauf der Aktienkurs des in Kopenhagen gelisteten Unternehmens um 60 Prozent abhob. „Wir glauben, dass wir die weltweite Nachfrage bedienen können ohne weitere Investitionen in unsere Produktionsanlagen“, sagte Rolf Sass Sørensen, Sprecher des Unternehmens Bavarian Nordic, in der Vorwoche zur dpa. Möglich sei derzeit die Produktion von 30 Millionen Dosen jährlich. Seit die „Affenpocken-Aktie“ins Visier von Spekulanten geriet, gibt es wilde Kursausschläge. Nichts für schwache Nerven.
Pockenimpfstoff-Hersteller gibt es aber noch weitere. Pharmariese Sanofi ist in den USA mit seinem Präparat gut im Markt. Die US-Biotechschmiede GeoVax Labs teilte kürzlich mit, dass ihr in Phase 2 befindlicher Covid-Impfstoffkandidat auch gegen Affenpocken wirken könnte. Eine gewagte Aussage, die den Kurs sogleich beflügelte. Neben den Impfstoffen gibt es bereits einige Pocken-Therapien am Markt. Das Medikament Tembexa beschert Emergent BioSolutions einen Kurs-Höhenflug. Das US-Unternehmen Siga Technologies punktet an der Börse mit dem Präparat Tpoxx. Der Kurs legten deutlich zu.