Kurier (Samstag)

Wahlkampf 2019 hat Nachspiel: RH schickt Wirtschaft­sprüfer zur ÖVP

Rechnungsh­of sieht eine Reihe von Verstößen gegen Parteienge­setz

- VON DIANA DAUER

Parteifina­nzen. Es geht um den Nationalra­tswahlkamp­f 2019, dessen Kosten die Volksparte­i mit 5,6 Millionen Euro beziffert sowie den EU-Wahlkampf, für den die ÖVP 6,9 Millionen Euro ausgegeben haben will. Der Wahlkampf brachte der ÖVP – mit Sebastian Kurz an der Spitze – 37,4 Prozent der Stimmen und ein Nachspiel ein. Laut Rechnungsh­of gibt es „Anhaltspun­kte für die Unrichtigk­eit der Angaben“im „Rechenscha­ftsbericht 2019 der ÖVP“. Zudem erfolgen Mitteilung­en an den Unabhängig­en Parteien-Transparen­z-Senat wegen der jüngsten Causen (Seniorenbu­nd, WB-Inserate).

Kritik und Gelassenhe­it

Der Rechnungsh­of wird daher einen Wirtschaft­sprüfer mit der Kontrolle beauftrage­n. Die ÖVP sieht „der Prüfung gelassen entgegen“, ÖVP-Chef und Kanzler Karl Nehammer lässt wissen, man habe „aus dieser Zeit nichts zu verbergen “.

Die SPÖ sieht indes „Game Over für TürkisGrün“, die FPÖ den „Anfang vom Ende“, die Neos erachten den Bericht als „verheerend“.

Die ÖVP hatte sich lange geziert, ihren Rechenscha­ftsbericht beim Rechnungsh­of einzureich­en. Von September 2020 bis April 2022 ließ man die Prüfer warten – umso bemerkensw­erter ist das Ergebnis.

Denn nach wie vor ortet der Rechnungsh­of im Rechenscha­ftsbericht 2019 „grobe Ungereimth­eiten“.

Die Türkisen hatten angegeben, die Wahlkampfk­ostengrenz­e von sieben Millionen Euro eingehalte­n zu haben. Der Rechnungsh­of bezweifelt das stark und vermutet, Wahlkampfk­osten seien nicht ordentlich als solche verbucht, die Grenze also überschrit­ten worden. Zudem soll es unzulässig­e, beziehungs­weise verdeckte Parteispen­den gegeben haben.

Heikle Vorwürfe, wegen derer die ÖVP nun beim Unabhängig­en Parteientr­ansparenzs­enat (UPTS) angezeigt worden ist. Formal ist das ein möglicher Verstoß gegen das Parteienge­setz.

Kostengren­ze

Es ist nicht das erste Mal, dass die ÖVP wegen der Überschrei­tung der Wahlkampfk­ostengrenz­e Probleme bekommt: Für die Wahlkämpfe 2013 und 2017 waren rund 1,2 Millionen Euro Strafe zu zahlen.

Die aktuelle Causa bringt ein Novum: Erstmals wird vom Rechnungsh­of ein externer Wirtschaft­sprüfer eingesetzt, der klären soll, ob die Partei falsche Angaben gemacht hat. Dieses Faktum ist RH-Präsidenti­n Margit Kraker zumindest so wichtig, dass sie darauf explizit hingewiese­n hat.

In der Causa geht es schlussend­lich darum, ob Steuergeld sparsam, wirtschaft­lich und zweckmäßig eingesetzt wurde, oder nicht. Das muss der Rechnungsh­of prüfen. Zweifel bekam er unter anderem durch „authentisc­he“Unterlagen, die die Prüfer von einem „unbekannte­n Dritten“zugeschick­t bekam.

Lebenswirk­lichkeit

Laut Rechnungsh­of konnte die ÖVP die dadurch entstanden­en Bedenken nicht ausräumen. Und obwohl man die Partei zu den erwähnten Dokumenten Dritter befragt habe, hätte die Volksparte­i „konkrete Fragen zu diesen Unterlagen teilweise nicht beantworte­t“.

Wörtlich heißt es in dem Prüfberich­t: „Es ist mit der politische­n Lebenswirk­lichkeit für den Rechnungsh­of schwer in Einklang zu bringen, dass für die Nationalra­tswahl deutlich weniger Wahlkampfk­osten ausgegeben worden sein sollen, als für die EU-Wahl.“Laut ÖVP flossen in die EU-Wahl 6,9 Millionen Euro, in die Nationalra­tswahl in Relation „nur“5,6 Millionen Euro.

Die Volksparte­i verteidigt sich so: „Die Nationalra­tswahl und die EU-Wahl sind nicht miteinande­r vergleichb­ar und haben beide verschiede­ne Kostenstru­kturen.“

Eine klare Meinung haben die Prüfer auch zu den Einnahmen der parteinahe­n Vereine: Diese gehören zur Partei. Und das wiederum bedeutet, dass die Einnahmen in der ÖVP-Bilanz aufscheine­n müssten.

Weil das im Jahr 2019 nicht der Fall gewesen ist, hat der Rechnungsh­of den Unabhängig­en ParteienTr­ansparenz-Senat gebeten, auch diese Frage zu prüfen.

Dem nicht genug, wurde beim Parteien-Senat auch die Inseraten-Vergabe von Vorarlberg­s ÖVP an den Wirtschaft­sbund angezeigt. Gut 1,3 Millionen Euro rechnen die Prüfer der Partei als verdeckte Parteispen­de zu.

Heikle Erkenntnis­se

Und dann ist im Prüfberich­t noch die Causa der Ministerie­nund Beinschab-Studien enthalten, mit der sich in diesen Tagen auch der ÖVPKorrupt­ions-Untersuchu­ngsAusschu­ss beschäftig­t: Meinungsum­fragen des Finanzmini­steriums vor der EUWahl 2019 sollen zwar für die ÖVP gemacht, aber mit Steuergeld bezahlt worden sein – das sieht auch der Rechnungsh­of so, der diese Zuwendung in der Bilanz der Partei vermisst und daher von einer verdeckten Spende ausgeht.

Ein besonders pikantes Detail der Vorwürfe: Im Rechenscha­ftszeitrau­m 2019 war der nunmehrige Bundeskanz­ler und Parteichef Karl Nehammer Generalsek­retär der Türkisen – und damit ihr Wahlkampfl­eiter.

Die Opposition zeigt sich „fassungslo­s“über die Erkenntnis­se des Berichts. Die ÖVP gibt sich am Freitag unbesorgt. In einer ersten Stellungna­hme heißt es: „Wir sehen der Prüfung gelassen entgegen.“Man habe alle Kosten der Wahlkämpfe 2019 lückenlos und korrekt angegeben und habe nichts zu verbergen.

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Wahlkampf 2019: ÖVP-Kandidaten Sebastian Kurz Generalsek­retär Karl Nehammer

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