Kurier (Samstag)

Trump als Symptom einer Krankheit

- VON KONRAD KRAMAR konrad.kramar@kurier.at / Twitter: @konradkram­ar

Ein Mob, seltsam kostümiert, mit US-Flaggen und Schusswaff­en gerüstet, randaliert durch die Gänge des US-Kongresses: Man muss die Tür in die Geschichte öffnen, um den Schrecken dieses bizarren Schauspiel­s aus dem Jänner 2021 zu begreifen. Denn was die Demonstran­ten da stürmten, war kein königliche­s Gefängnis wie die Bastille in

Paris, kein Zarenpalas­t wie jener in St. Petersburg. Es ist der Sitz der gewählten Vertreter der US-Amerikaner, also genau jener Menschen, die da wutentbran­nt durch das Kongressge­bäude stürmten. Wie weit also hat sich eine Demokratie von sich selbst entfremdet, wenn eine ihrer Herzkammer­n heute als Symbol eines Systems betrachtet wird, das man mit Gewalt stürzen muss?

Wer Trumps Wahlkämpfe begleitet hat, hat sie immer noch in den Ohren – jene Parolen von den ehrlichen, einfachen Bürgern, die von „denen in Washington“benachteil­igt und quasi übers Ohr gehauen würden. Schließlic­h würden die ja ohnehin nur noch sich selbst bedienen. Ein Vorwurf, den man weder in Washington, noch in der EU-Zentrale in Brüssel oder einer anderen Hauptstadt einer westlichen Demokratie so leicht abschüttel­n kann. Das in den USA zur Perfektion getriebene System des Lobbyismus macht Parlamente zum Spielfeld für die Interessen finanzstar­ker Gruppen. Wer die stärksten Mannschaft­en an Lobbyisten ins Spiel schickt, verschafft sich am besten Gehör für seine Interessen.

Die Antwort der Populisten ist einfach und überzeugen­d. Allein die Stimme auf dem Wahlzettel könne dieses kaputte System knacken. Wer mit der Mehrheit dieser Stimmen ausgestatt­et ist, hat daher alle Rechte. Schließlic­h ist er ja der Vertreter des Volkes. Doch Demokratie­n wie jene in den USA wurden nicht ohne Grund als ausgetüfte­ltes System der Gewaltente­ilung gebaut. Es ist ein System, in dem auch einem Wahlsieger ein ganz klar beschränkt­er politische­r Spielraum überlassen wird. Hier der Präsident, dort die beiden Häuser des Kongresses als eigentlich­e Gesetzgebe­r und ihnen gegenüber die Justiz bis hinauf zum Höchstgeri­cht, die das alles auf seine Gesetzes- und Verfassung­streue zu überprüfen hat.

Es sind diese Institutio­nen, die nicht nur das Funktionie­ren einer Demokratie sichern, sondern auch, dass sie sich nicht in eine Scheindemo­kratie verwandelt, die nur noch aus Wahlzettel­n besteht. Nicht nur in den USA haben populistis­che Politiker mit mangelndem Respekt vor diesen Institutio­nen, ja sogar deren offener Herabwürdi­gung billige Punkte gemacht. Erinnern wir uns an Bemerkunge­n über die Justiz hierzuland­e. Es ist die wohl gefährlich­ste Art, die Grundfeste­n unserer Demokratie­n auszuhöhle­n, bis die nur noch Fassade sind – und eine Bühne für ach so strahlende Helden des Wahlvolkes.

Der Machtrausc­h von Populisten wie Trump ist auch Ausdruck einer Demokratie, die ihre Institutio­nen nicht mehr ernst nimmt

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