Trump als Symptom einer Krankheit
Ein Mob, seltsam kostümiert, mit US-Flaggen und Schusswaffen gerüstet, randaliert durch die Gänge des US-Kongresses: Man muss die Tür in die Geschichte öffnen, um den Schrecken dieses bizarren Schauspiels aus dem Jänner 2021 zu begreifen. Denn was die Demonstranten da stürmten, war kein königliches Gefängnis wie die Bastille in
Paris, kein Zarenpalast wie jener in St. Petersburg. Es ist der Sitz der gewählten Vertreter der US-Amerikaner, also genau jener Menschen, die da wutentbrannt durch das Kongressgebäude stürmten. Wie weit also hat sich eine Demokratie von sich selbst entfremdet, wenn eine ihrer Herzkammern heute als Symbol eines Systems betrachtet wird, das man mit Gewalt stürzen muss?
Wer Trumps Wahlkämpfe begleitet hat, hat sie immer noch in den Ohren – jene Parolen von den ehrlichen, einfachen Bürgern, die von „denen in Washington“benachteiligt und quasi übers Ohr gehauen würden. Schließlich würden die ja ohnehin nur noch sich selbst bedienen. Ein Vorwurf, den man weder in Washington, noch in der EU-Zentrale in Brüssel oder einer anderen Hauptstadt einer westlichen Demokratie so leicht abschütteln kann. Das in den USA zur Perfektion getriebene System des Lobbyismus macht Parlamente zum Spielfeld für die Interessen finanzstarker Gruppen. Wer die stärksten Mannschaften an Lobbyisten ins Spiel schickt, verschafft sich am besten Gehör für seine Interessen.
Die Antwort der Populisten ist einfach und überzeugend. Allein die Stimme auf dem Wahlzettel könne dieses kaputte System knacken. Wer mit der Mehrheit dieser Stimmen ausgestattet ist, hat daher alle Rechte. Schließlich ist er ja der Vertreter des Volkes. Doch Demokratien wie jene in den USA wurden nicht ohne Grund als ausgetüfteltes System der Gewaltenteilung gebaut. Es ist ein System, in dem auch einem Wahlsieger ein ganz klar beschränkter politischer Spielraum überlassen wird. Hier der Präsident, dort die beiden Häuser des Kongresses als eigentliche Gesetzgeber und ihnen gegenüber die Justiz bis hinauf zum Höchstgericht, die das alles auf seine Gesetzes- und Verfassungstreue zu überprüfen hat.
Es sind diese Institutionen, die nicht nur das Funktionieren einer Demokratie sichern, sondern auch, dass sie sich nicht in eine Scheindemokratie verwandelt, die nur noch aus Wahlzetteln besteht. Nicht nur in den USA haben populistische Politiker mit mangelndem Respekt vor diesen Institutionen, ja sogar deren offener Herabwürdigung billige Punkte gemacht. Erinnern wir uns an Bemerkungen über die Justiz hierzulande. Es ist die wohl gefährlichste Art, die Grundfesten unserer Demokratien auszuhöhlen, bis die nur noch Fassade sind – und eine Bühne für ach so strahlende Helden des Wahlvolkes.
Der Machtrausch von Populisten wie Trump ist auch Ausdruck einer Demokratie, die ihre Institutionen nicht mehr ernst nimmt