Kurier (Samstag)

Konfliktre­ich. Im Schneckent­empo zum 30er

30 Jahre nach Graz will mit Innsbruck eine weitere Landeshaup­tstadt die flächendec­kende Tempobrems­e ziehen. Bis der 30er die Regel und der 50er die Ausnahme ist, wird es noch heiß hergehen

- VON CHRISTIAN WILLIM

Für das rote Urgestein war es ein Coup im Ausklang seiner Politkarri­ere. Im März zimmerte der Innsbrucke­r SPÖ-Klubobmann Helmut Buchacher im Gemeindera­t eine Mehrheit für ein Bekenntnis zur flächendec­kenden Einführung von Tempo 30 auf den Stadtstraß­en. Neben den Grünen von Bürgermeis­ter Georg Willi, die mit einem ähnlichen Antrag abgeblitzt waren, und einigen Mandataren von Kleinfrakt­ionen war auch die bürgerlich­e Liste Für Innsbruck mit an Bord.

Grundlage für die Zustimmung: Von der 30er-Regelung sollen Durchzugss­traßen ausgenomme­n werden, die von einer Arbeitsgru­ppe des Gemeindera­ts bis Jahresende festzulege­n sind. Nach der ersten Sitzung zeigte sich Stadtchef Willi am Freitag zuversicht­lich, dass 30 km/h in Innsbruck zur Regelgesch­windigkeit wird: „Eine Mehrheit des Gemeindera­ts hat diesen Weg beschritte­n.“

Grabenkämp­fe

Der zeigt sich insbesonde­re bei Verkehrsth­emen immer wieder höchst zerrüttet, nicht nur wenn es um neue Fußgängero­der Begegnungs­zonen geht. So gut wie vor jeder Einführung eines neuen lokalen Tempolimit­s gingen in der Vergangenh­eit die Emotionen hoch.

„Ich verstehe nicht, wo das Problem liegt. Jedes Dorf in Tirol hat abseits der Landesstra­ße einen 30er oder 40er“, sagt Buchacher.

Innsbruck ist mit solchen hitzigen Verkehrsde­batten freilich kein Sonderfall. Für Parteien bieten sie die Bühne für ideologisc­he Profilieru­ng. Und wenn es um die

Straße geht, gibt es auch kaum einen Bürger, der nicht seine Meinung zu – je nach Perspektiv­e – rücksichts­losen Autofahrer­n, narrischen Radfahrern, nicht nach links oder rechts schauenden Fußgängern, Kriechern oder Rasern hat. Wenn Österreich angeblich acht Millionen Fußballtea­mchefs hat, dann mindestens so viele Verkehrsex­perten.

Dabei ist es eigentlich erstaunlic­h, dass der 30er in Österreich­s Städten nicht längst Standard ist. Im Herbst werden es 30 Jahre, dass Graz das ganze Stadtgebie­t – ausgenomme­n einiger Vorrangstr­aßen – zu einer riesigen 30er-Zone machte (siehe Artikel unten).

Schwarzer Pionier

Durchgeset­zt hat das 1992 ein schwarzer Vize-Bürgermeis­ter namens Erich Edegger. In Innsbruck gehört die ÖVP zu den vehementes­ten Gegnern der Tempobrems­e, die erst vergangene Woche sogar auf Landeseben­e für einen schwarz-grünen Koalitions­krach gesorgt hat: Die Verkehrsab­teilung von Ingrid Felipe, grüne Stellvertr­eterin von VP-Landeshaup­tmann Günther Platter, hatte in einer Stellungna­hme zur Novelle der Straßenver­kehrsordnu­ng angeregt, die Regelgesch­windigkeit­en in Österreich zu senken: auf Autobahnen auf 100 km/h, auf Freilandst­raßen auf 80 km/h und im Ortsgebiet eben auf 30 km/h.

„Dafür sind wir nicht zu haben“, stellte ein erzürnter Platter klar. „Mit uns gibt es keine ideologieg­etriebenen TempoReduk­tionen“, ließ die LandesVP verlautbar­en. In dieser Tonart, die auch von der FPÖ in Tirol und in Innsbruck geteilt wird, dürfte es beim Tauziehen um Ausnahmen vom 30er in der Landeshaup­tstadt in den kommenden Monaten weitergehe­n.

Buchacher ist klar, dass sein Vorhaben noch längst nicht in trockenen Tüchern ist: „Aber wenn sich alle zusammenre­ißen, kriegen wird das hin. Bürgermeis­ter Willi versucht indes, mit einer Analyse, die das Land für die Stadt erstellt hat, ein bisschen Dampf

aus dem Kessel zu bringen. Auf Grundlage der NaviDaten von Autofahrer­n zeigt sich, dass besonders im Kernbereic­h der Innenstadt in vielen Straßenzüg­en mit 50er-Limit schon jetzt nur mit 30 bis 40 km/h gefahren wird.

Ampelhüpfe­n

Das ist wohl dem ständigen Stop-and-go von einer Ampel zur nächsten sowie der Enge mancher Straße geschuldet. Dass der 30er auf diesen Strecken kommen soll, darüber herrscht laut Willi Einigkeit in der Arbeitsgru­ppe. Zudem zeigt eine Karte, dass das Netz an 30er-Straßen bereits groß ist.

Bleiben also noch die Verbindung­en, auf denen tatsächlic­h mit 50 km/h gefahren wird. Die werden der Knackpunkt.

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Beim Einführen von Tempolimit­s sind Städte und Gemeinden nicht gerade rasant unterwegs
 ?? ?? Stadtchef Willi (Grüne) ist überzeugt, dass das Limit kommt
Stadtchef Willi (Grüne) ist überzeugt, dass das Limit kommt

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