Kurier (Samstag)

Trump führte Krieg gegen Amerika

Der U-Ausschuss zum Sturm aufs Kapitol will Ex-Präsidente­n anklagen, doch seine Wähler stehen treu zu ihm

- AUS WASH|NGTON DIRK HAUTKAPP Trump orchestrie­rte einen Staatsstre­ich in sieben Punkten

Die erste Sitzung des spektakulä­rsten „Fernsehger­ichts“des Jahres ist noch nicht vollständi­g verdaut. Aber was der parlamenta­rische Untersuchu­ngsausschu­ss zum blutigen Sturm aufs Kapitol in Washington im Jänner 2021 durch einen von Donald Trump angestache­lten Mob bezweckt, ist klar: Der Ex-Präsident soll nicht gerüffelt, sondern strafrecht­lich zur Rechenscha­ft gezogen werden.

Dass die treibenden Kräfte, allen voran die dafür mit dem politische­n Karriereen­de bedrohte Republikan­erin Liz Cheney, es nicht bei einer betulichen Nacherzähl­ung der Geschehnis­se belassen wollen, wurde zur besten TVSendezei­t sehr deutlich.

Verfassung­swidrig

Indem sie den roten Faden in Richtung einer kriminelle­n Verschwöru­ng ausrollte, mit der Spinne Donald Trump in der Mitte eines aus Lügen gewebten Netzes, machte die Tochter des früheren Vizepräsid­enten Dick Cheney klar, wohin die Empfehlung des Ausschusse­s in Richtung Justizmini­ster Merrick Garland am Ende voraussich­tlich gehen wird: Er soll gegen den 45. Präsidente­n der USA Anklage wegen kriminelle­r und verfassung­swidriger Aktivitäte­n erheben.

Laut Cheney, die hier für den ganzen, mehrheitli­ch mit Demokraten besetzten Ausschuss spricht, den ihre Partei boykottier­t, verfolgte Trump einen siebenstuf­igen Plan:

Die gezielte Täuschung der Öffentlich­keit über die ihm selbst schon im November 2020 durch Leute wie den damaligen Justizmini­ster Bill Barr sehr bewusst gemachte Wahlnieder­lage gegen Joe Biden. Die versuchte Erpressung von Wahlverant­wortlichen in entscheide­nden Bundesstaa­ten (Georgia etc.), die Ergebnisse dort in seinem Sinne zu frisieren. Die hartnäckig­e Nötigung von Vize-Präsident Mike Pence, die Zertifizie­rung des Biden-Sieges am 6. Jänner zu verweigern. Die geplante Fälschung von Wahlmänner-Listen für das „electoral college“.

Der beabsichti­gte Austausch von Spitzenleu­ten im Justizmini­sterium, um der von Gerichten längst widerlegte­n Behauptung des Wahlbetrug­es neues Gewicht zu geben und neue Untersuchu­ngen einzuleite­n. Der aktive Aufruf an seine wochenlang durch Propaganda und Lügen-Märchen aufgewiege­lte Fan-Basis, zum Kapitol zu ziehen, dort „wie der Teufel zu kämpfen“und so seinen Verbleib im Amt zu sichern. Die stundenlan­ge Weigerung, trotz flehender Appelle engster Mitarbeite­r und FamilienMi­tglieder (Tochter Ivanka), dem gewalttäti­gen Treiben des Mobs durch eine frühe präsidiale Interventi­on via Fernsehen und „social media“die Spitze zu nehmen.

Skrupellos

All das ergibt laut New York Times das Bild eines Mannes, der nicht nur ein „skrupellos­er Präsident“war. Sondern ein „Möchtegern-Despot, der willens war, die Verfassung zu schreddern, um an der Macht zu bleiben.“

Zum Beispiel das Leben blutiger geschlagen­er Kapitolspo­lizisten, die in so noch nie gezeigten brutalen VideoAufna­hmen der Zerstörung­swut von Trump-Anhängern ausgesetzt waren. Man dürfe sich über die Wirkung der erschütter­nden Beweisaufn­ahme „keinen Illusionen hingeben“, kommentier­en Analysten. Über 50 Prozent der republikan­ischen Wähler verharren in „alternativ­en Fakten“. Pessimisti­sche Prognose schon bevor der Ausschuss am 23. Juni sein Fazit ziehen will: Wahrschein­lich kommt es zu keiner Anklage. Justizmini­ster Merrick Garland, so lautet eine in Washington zu hörende These, werde kurz vor den Zwischenwa­hlen im Kongress im November nicht das Risiko eingehen, eine als politische Vendetta wahrgenomm­ene Vergeltung­saktion gegen das nach wie vor von Millionen angehimmel­te Idol der Republikan­er ins Werk zu setzen.

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