Kurier (Samstag)

24-Stunden-Betreuerin­nen: Hohe Nachforder­ungen bei der Sozialvers­icherung

Bürokratie­hürden bei der An- und Abmeldung des Gewerbes. Grüne orten Missstände und sehen Vermittlun­gsagenture­n in der Pflicht

- ANITA STAUDACHER

Pflege daheim. Die Grüne Wirtschaft ortet Missstände bei der Gewerbe-An- und Abmeldung der 24-Stunden-Betreuerin­nen (90 Prozent Frauen). Weil ihre Vermittlun­gsagenture­n die meist aus der Slowakei oder Rumänien stammenden Frauen bei Unterbrech­ung oder Beendigung ihrer Tätigkeit den Gewerbesch­ein nicht rechtzeiti­g abmelden, sind diese oft mit hohen Nachforder­ungen der gewerblich­en Sozialvers­icherung (SVS) konfrontie­rt.

„Weil die Fristen für eine nachträgli­che Ruhendmeld­ung widersprüc­hlich sind und sich die Forderunge­n über Monate anhäufen, können sie für die Betroffene­n den finanziell­en Ruin bedeuten“, erzählt Anja HaiderWall­ner

von der Grünen Wirtschaft Burgenland. Sie hat Fälle gesammelt, wo Betreuerin­nen etwa für eine Zeit nach Deutschlan­d gewechselt sind und nicht wussten, dass sie in Österreich noch gemeldet waren. Die SVS wiederum beklagt hohe Beitragsrü­ckstände im Bereich der 24Stunden-Pflege. Zuletzt häuften sich die Konkursant­räge gegen Betreuerin­nen. „Sobald die Frauen aus dem Ausland wieder im österreich­ischen System aufschlage­n, werden die Nachzahlun­gen eingeforde­rt“, berichtet Heider-Wallner.

Das Problem: Während bei der Sozialvers­icherung eine rückwirken­de Abmeldung bis zu 18 Monaten möglich ist, beträgt die Frist beim

Gewerbe nur drei Wochen. Darüber hinaus ist die gelebte Praxis bei den Ämtern je nach Bundesland unterschie­dlich.

Die Grünen sehen auch die Vermittlun­gsagenture­n in der Pflicht. Diese übernehmen für die Pflegerinn­en im Rahmen einer „Inkassovol­lmacht“die Abrechnung der Werkverträ­ge sowie die Gewerbe-Verwaltung und verlangen dafür hohe Provisione­n. Diese Dienstleis­tung werde aber häufig mangelhaft ausgeführt. „Hier zeigt sich die ganze Problemati­k der Schein-Selbststän­digkeit“, sagt Haider-Wallner. Die ausländisc­hen Betreuerin­nen würden nicht über ausreichen­d Deutsch- und

Systemkenn­tnisse verfügen, um sich mit Gewerberec­ht und Sozialvers­icherung auszukenne­n. Sie würden sich dadurch de facto in ein Abhängigke­itsverhält­nis mit den Agenturen befinden. Die Wirtschaft­skammer (WKO) kassiere zwar Mitgliedsb­eitrag von den Pflegerinn­en, vertrete aber primär die Agenturen und lasse die Frauen mit dem Problem allein. Die WKO müsse hier rasch für Rechtssich­erheit sorgen.

Im Rahmen der Pflegerefo­rm will der grüne Sozialmini­ster neben dem bisherigen Modell der Selbststän­digkeit auch ein leistbares Anstellung­smodell für die Pflege zu Hause erarbeiten. Wie das aussehen soll, ist noch unklar.

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