Pflastern für das gute Klima
In Wien weht der Wind der Rückbesinnung. Plätze und Straßen, die früher asphaltiert waren, werden nun von Pflasterern in Handarbeit belegt. Beim Stephansplatz geht man seit 2017 über Platten aus sechs verschiedenen Natursteinen, die überwiegend aus dem Waldviertel stammen. Die neuen Fußgänger- und Begegnungszonen auf der Mariahilfer Straße, Schleifmühlbrücke und Herrengasse wurden ebenso mit Pflastersteinen ausgeführt. Auch für die Zukunft plant die Stadt Wien Projekte mit Pflasterermeistern und öffentlichen Flächen.
Optisch ansprechende Handarbeit
Pflasterstraßen waren lange Zeit der Status Quo, bis sie von Asphalt abgelöst wurden. Asphalt hat den Vorteil, dass das Fahrgefühl angenehmer ist, was während des Aufschwungs der Motorisierung als Topqualifikation zum allgegenwärtigen Straßenbelag galt. Also warum herrscht nun dieser RetroTrend zum Pflastern? Pflasterermeister Andreas Schödel kennt die Antwort: „Pflaster hat einige Vorteile gegenüber Asphalt. Wir können die Materialien direkt aus Österreich beziehen, anstatt sie aus aller Welt einzuschiffen. Das Pflaster wird in Handarbeit mit geringer maschineller Unterstützung ausgeführt. Außerdem kann man Pflaster bei Sanierungen vielfach aus- und einbauen. Dadurch sind die Lebenszykluskosten und die Umweltbelastung von Pflaster geringer als Asphalt“.
Ressourcen schonen Pflasterer. Gepflasterte Wege haben ein nachweislich angenehmeres Mikroklima als Asphalt
Lebenszykluskosten berechnen die Kosten eines Materials über seine gesamte Nutzungsdauer. Studien der TU Wien haben gezeigt, dass gepflasterte Gehwege um 13 Prozent weniger Kosten verursachen als asphaltierte. Mit jeder Aufgrabung verringern sich die Lebenszykluskosten zusätzlich zugunsten des Pflastermaterials. Wenn ein gepflasterter Weg saniert werden muss, geht es dabei meistens um die Wiederherstellung eines intakten Untergrunds. Die Pflastersteine selbst müssen in den seltensten Fällen ausgetauscht werden – die alten werden einfach direkt auf der Baustelle zwischengelagert und wieder eingesetzt. CO2-Emissionen für die Herstellung eines neuen Materials und dessen Transport zur Baustelle werden so vermieden.
Bis der Stein zu Sand wird
Wenn ein Pflasterstein nach Jahrzehnten schlussendlich doch so stark lädiert ist, dass er nicht mehr als Belag dienen kann, kommt er in einen Steinoder Betonbrecher und wird recycelt. Das recycelte Material kann dann für ungebundene Tragschichten oder als Bettungsmaterial noch einmal verwendet werden. „Mein Urgroßvater war Spreng- und Pflasterermeister und hat heimisches Steinmaterial selbst abgebaut, das dann teilweise beim Bau der Wiener Höhenstraße verarbeitet wurde. Ich bin die vierte Generation im Betrieb und wir nutzen immer noch Steine, die er vor hundert Jahren abgebaut hat“, sagt Andreas Schödel ganz selbstverständlich.
Spürbarer Kühleffekt
Aber der angenehmste Vorteil von Pflaster gegenüber
Asphalt ist sein kühlender Effekt im Sommer. „Wenn Pflasterflächen in der Regelbauweise, also in ungebundener Bauweise, hergestellt werden, nehmen sie Feuchtigkeit auf. Diese Feuchtigkeit verdampft im Sommer und steigt auf – dadurch entsteht angenehme Verdunstungskühle. Auf Pflaster herrscht nachweislich geringere Hitze als auf Asphalt. Es gibt ein besseres Mikroklima und der Wohlfühlfaktor auf Pflaster ist viel höher“, erklärt Pflasterermeister Schödel. Gerade in Städten ist dieser Kühlungseffekt auf großen Flächen in Zeiten des Klimawandels sehr wichtig.
Wer billig kauft, kauft teuer
Auch private Wege werden wieder mehr gepflastert. Bauherren wollen vom guten Klima, Ressourcenschonung und besonders der optischen Attraktivität profitieren. Von einer Pflasterung in Eigenregie kann Schödel aber nur abraten. „Laien unterschätzen, worüber man sich alles Gedanken machen muss. Welches Material nutze ich für Tragschichten und Belag? Wie tief hebe ich für beides aus und schließe ich dann auch wirklich korrekt an meine Garage oder das Gehsteigniveau an? Welchen Verband sollte ich legen?“Mit Verband ist die Anordnung der Steine und Platten gemeint, sie hat einen wesentlichen Einfluss auf die Tragfähigkeit einer Pflasterfläche. „Manchmal sparen Kunden aber auch an der falschen Stelle und engagieren die billigsten Anbieter. Es ist mir schon einige Male passiert, dass ich zu einer aktiven Baustelle gerufen wurde, weil der Kunde das Vertrauen in die Firma verloren hat“. Und das zu Recht, denn Schödel erstellt meistens nach seiner Begutachtung gleich ein Sanierungskonzept für den Kunden. Billigfirmen missachten oft grundlegende Kriterien der Pflasterarbeit: „Sie leiten das Oberflächenwasser in Richtung des Hauses, anstatt weg davon. Sie reden den Kunden schlechtes Material ein, heben nicht genug Erde aus oder verwenden mangelhafte Tragschichten“. Schützen kann man sich, indem man Preise vergleicht und nicht das billigste Angebot annimmt. Denn das kann teuer werden.
Ein komplexes Handwerk
Für eine gute Pflasterarbeit braucht es technisches Know-how und Verständnis, Kreativität und Geschick. „Die Steine liegen nicht nur in der Gegend herum, darunter passiert viel. Man muss auch lernen, wie man geometrischen Formen absteckt. Wir pflastern ja nicht nur gerade aus“, betont der Pflasterermeister. Nicht umsonst dauert die Grundausbildung drei Jahre. „Die Lehre findet dual statt, man ist in den Wintermonaten geblockt in der Berufsschule, das restliche Jahr im Betrieb“. Für die hochqualitative Handarbeit sind traditionelle Handwerkzeuge, wie
Kleinstein- und Großsteinpflasterhammer, erforderlich. „Wir machen mit der Hand etwas, das beständig ist. Als Pflasterer sieht man am Ende jedes Tages, was man geschafft hat. Das sind Bauwerke, die über viele Jahrzehnte bestehen bleiben“.
Wenn’s mal schnell gehen muss
Sollte wirklich einmal ein sehr enger Zeitplan geschnürt worden sein, so können Pflasterer auch mit maschinell verlegtem Kunststeinpflaster aufwarten. Bei dieser Verlegeart ist die Tagesleistung um ein Vielfaches höher als bei der sonst üblichen, händischen Verlegung. Gerade für industriell genutzte Flächen oder Parkplätze stellt dies eine attraktive Alternative zu Asphaltflächen dar.