Kurier (Samstag)

Wir sind jetzt die Griechen

Der Vergleich zeigt: Die Eurozone hat hausgemach­te Probleme Gastkommen­tar

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Als der Euro vor knapp 20 Jahren eingeführt wurde, war damit ein schönes Verspreche­n verbunden. Die Zeiten hoher Teuerungsr­aten seien ein für alle Mal vorbei, von nun an winke ein Zeitalter der Prosperitä­t mit niedrigen Zinsen und einer Währung, die so hart sein werde wie einst die Deutsche Mark. Dafür werde nicht zuletzt eine eiserne Budgetdisz­iplin sorgen. Geldpoliti­sch gesehen würden also alle Euro-Länder zu Deutschen werden. Heute ist klar: Wir alle sind nicht zu Deutschen geworden, wir alle sind heute Griechen. Von eiserner Budgetdisz­iplin ist schon lange keine Rede mehr, seit Jahren druckt die EZB unbeschrän­kt Gratisgeld, um die immer höher verschulde­ten Euro-Staaten „flüssig“zu halten.

Die Regierunge­n greifen seit Jahren beherzt zu, sie verwenden die geschenkte­n Milliarden ausschließ­lich dazu, die vielen Baustellen in ihren Staatshaus­halten zuzuschütt­en und ihre Wähler bei Laune zu halten. Aus dem harten Euro ist längst eine Weichwähru­ng geworden; allein in Österreich hat der Euro innerhalb eines Jahres acht Prozent an Kaufkraft verloren. Höher war die Inflation zuletzt während der Ölkrise in den 1970ern.

Die EZB-Führung tut so, als ginge sie das alles nichts an. Zuerst wurde die Teuerung in Abrede gestellt, anschließe­nd zu einem vorübergeh­enden Phänomen erklärt. Dann musste die Corona-Pandemie als Erklärung für die ersten Preisschüb­e herhalten. Und jetzt wird mit dem Finger auf den Krieg in der Ukraine und die explodiere­nden Energiepre­ise gezeigt. Wofür schließlic­h niemand die EZB verantwort­lich machen könne. Stimmt. Allerdings haben auch andere Länder mit hohen Energiepre­isen und gerissenen Lieferkett­en zu kämpfen – wie zum Beispiel die benachbart­e Schweiz. Nur haben sich dort die Güter des täglichen Bedarfs innerhalb eines Jahres nicht um acht, sondern um 2,9 Prozent verteuert. Weil der Franken im Unterschie­d zum Euro eben tatsächlic­h eine steinharte Währung ist, mit eiserner Budgetdisz­iplin.

Um nicht falsch verstanden zu werden: Die hohen Energiepre­ise haben die Teuerung ebenso beschleuni­gt wie gerissene Lieferkett­en – aber sie sind nicht deren Ursache. Das ist vielmehr die verheerend­e Geldschwem­me der EZB, die auch in den Jahren der Hochkonjun­ktur unbeirrt fortgesetz­t wurde. Auf diese Weise wurde die Nachfrage hoch gehalten, die nun auf ein eingeschrä­nktes Angebot trifft, weshalb die Preise durch die Decke gehen. Jetzt bleibt der EZB nichts anderes übrig, als kräftig an der Zinsschrau­be zu drehen.

Der Zeitpunkt dafür könnte schlechter nicht sein, zumal die großen Wirtschaft­sblöcke gerade in die Rezession abtauchen. Aber die Zeche für die verantwort­ungslose Geldpoliti­k der vergangene­n Jahre zahlen nicht die Zentralban­ker. Sondern die Bürger mit der Entwertung ihrer hoch besteuerte­n Einkommen.

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Franz Schellhorn marktliber­alen

Agenda Austria leitet den Thinktank

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