Kurier (Samstag)

Gefangen im Keller

Krimi. ZDFneo zeigt heute Abend die bedrückend­e Thrillerse­rie „Hide and seek“, die ein starkes Lebenszeic­hen der ukrainisch­en Produktion­slandschaf­t ist

- VON PHILIPP WILHELMER

Seit mehr als drei Monaten kennen wir die Ukraine vor allem in Form eines Kriegsscha­uplatzes: Zerbombte Häuser, zerstörte Panzer und menschlich­es Leid reihen sich zu einer Erzählung über ein Land, mit dem wir uns davor nur abstrakt beschäftig­t haben. Dass ein Staat mit 40 Millionen Einwohnern starke kulturelle Hervorbrin­gungen hat, gerät da in den Hintergrun­d.

Umso bemerkensw­erter ist die Entscheidu­ng des deutschen öffentlich-rechtliche­n Spartensen­ders ZDFneo, eine wegweisend­e ukrainisch­e Produktion ins Programm zu nehmen: „Hide and Seek – Gefährlich­es Verstecksp­iel“ist ein von der Kritik viel gelobter Neo-NoirKrimi aus 2019. Darin macht eine Entführung­sserie eine ganze Stadt unsicher und die Ränkespiel­e in den Behörden machen zusätzlich­e Probleme. ZDFneo zeigt die achtteilig­e Reihe heute, Samstag, ab 22.00 Uhr. Ab morgen, Sonntag, ist sie zudem für 30 Tage in der ZDF-Mediathek abrufbar.

Schauplatz Hochhaus

Man kann aktuellen Assoziatio­nen nur schwer ausweichen: Wenn man etwa die Hochhaus-Siedlung sieht, in der der erste Fall spielt, fragt man unwillkürl­ich, ob dieses Haus noch steht, in dem Vater und Tochter unschuldig Verstecken spielen, bevor der schlimmste Alptraum aller Eltern wahr wird: Der Vater zählt bis fünf, dann ist die Tochter weg. Ganz weg, verschwund­en aus der Wohnung.

Jevgenij (Oleksandr Kobzar) ist verzweifel­t, er alarmiert die Polizei. Die kleine Alina (Azalia Tkachuk) ist unauffindb­ar. Die Polizei verdächtig­t ihn, selbst mit dem Verschwind­en des Mädchens zu tun zuhaben. Die Stimmung unter den Kommissare­n ist gedrückt, denn sie haben eine neue Chefin bekommen: Varta (Yulia Abdel Fattakh) soll zusammen mit dem gerade degradiert­en Maksim (Pyotr Rykov) den Fall lösen. Ein ungleiches Duo, das mit sich selbst ringt.

Varta glaubt dem Vater, im Gegensatz zu Maksim. Es gab immer wieder Ärger mit der Ex-Schwiegerm­utter. Denn die ist Mitglied der Sekte „Kirche der unbefleckt­en Geburt“, wohin sie ihre Enkelin manchmal mitnahm. Eine Spur?

Erpresserv­ideo

Als Beamte den Wohnblock observiere­n, kommt es zu einem tödlichen Zwischenfa­ll. Dann taucht im Internet ein Video auf. Zu sehen: Alina in einem Kellerraum mit einem Blatt Papier in den Händen. Darauf stehen vier Ziffern. Die Ermittler rätseln. Kurz darauf verschwind­et ein zweites Kind. Bogdan, der Sohn der Sängerin Didi wird aus der Garderobe hinter der Bühne entführt. Anders als bei Alina wird bei Bogdan ein Lösegeld gefordert. Eine ungewöhnli­che Handlung in düsterer, kalter Atmosphäre, mit sorgsam ausgewählt­er Musik hinterlegt, gespielt von hierzuland­e unbekannte­n Schauspiel­ern.

Koproduzen­tin Kateryna Vyshnevska hebt gegenüber der dpa hervor, wie wichtig die Ausstrahlu­ng sei, und wie wertvoll es ist, „dass ukrainisch­e Erzählunge­n so viele Menschen wie möglich erreichen, um den Erhalt des Kulturerbe­s der Ukraine zu ermögliche­n“.

Apropos Assoziatio­nen zu den aktuellen Geschehnis­sen: Die Serie sei in dem Ort Enerhodar gedreht worden, in dem sich das größte europäisch­e Atomkraftw­erk befindet, das zu Beginn des russischen Angriffes auf die Ukraine Schlagzeil­en machte: „Es wurde beschossen und wird nun von den russischen Angreifern kontrollie­rt, als Teil ihres unrechtmäß­igen Kriegs gegen die Ukraine. Aber Enerhodar ist und wird ukrainisch bleiben.“

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