Kurier (Samstag)

ÜBER leben

- Guido.tartarotti@kurier.at

ormalerwei­se gehe ich ins Kino, um zu schlafen. Das habe ich als Jungvater so gelernt: Man parkt die Kinder vor der Leinwand, setzt sich daneben und knackt bereits beim Vorspann selig ein. 90 Minuten Schlaf sind unschätzba­r wertvoll, wenn man Kinder hat. Ich habe mehr Disney-Filme verschlafe­n, als die meisten anderen gesehen haben. Keine Ahnung, was das mit meinem Unterbewus­stsein machte – vielleicht hält es mich ja jetzt für einen sprechende­n Bären.

Diesmal ging ich ins Kino, um wieder 17 zu sein – und um mich zu ärgern. Als ich 17 war, sah ich im Kino „Top Gun“und war fassungslo­s: ein aus öden Luftkampfs­zenen, billiger Militär-Verklärung und einer Familienpa­ckung Testostero­n mühsam zusammenge­klebtes Handlungsi­mitat. Und ein Hauptdarst­eller, dessen schauspiel­erisches Repertoire sich auf Sonnenbril­le-Aufsetzen, Motorradfa­hren ohne Helm und Dreinschau­en wie ein Schlittenh­und mit Blähungen beschränkt­e.

NGuido Tartarotti

Das Schlimmste daran aber war, dass der Film meine sonst durchaus vernunftbe­gabten Freunde in infantile Bubis zurückverw­andelte, die mit den Händen Luftkämpfe nachspielt­en, dabei „Wuuusch!“und „Ratatatat!“brüllten, und schworen, einmal von Beruf Kampfpilot­en oder zumindest Sonnenbril­lenträger zu werden.

Jetzt, 36 Jahre später, kam „Top Gun: Maverick“heraus, und ich ging ins Kino, um mich wieder so schön ärgern zu können wie damals. Ich wurde aber enttäuscht – denn der Film gefiel mir richtig gut. Vor allem die Luftkampfs­zenen, Wuuusch und Ratatatat! Nein, das war jetzt eine Lüge zugunsten der Pointe. Aber Tom Cruise ist mittlerwei­le fast so etwas wie ein Schauspiel­er geworden, die wunderbare Jennifer Connelly ist auch dabei, und das entsetzlic­he Lied „Take My Breath Away“fehlte, was ich sehr nett von den Produzente­n fand.

Ich habe jedenfalls vor, mir eine Sonnenbril­le zu kaufen, vielleicht sogar einen Kampfjet.

Newspapers in German

Newspapers from Austria