Kurier (Samstag)

MAUSGRAU BIS ORANGE

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prach man noch vor Kurzem von italienisc­hem Weißwein, dachte man für gewöhnlich bloß an Pinot Grigio, wie Grauburgun­der in Italien heißt. Ein Wein, der niemandem weh tut – ein Wein ohne Eigenschaf­ten zumeist. Aus Venetien, Südtirol oder dem Friaul vorwiegend; leicht, spritzig und ohne geschmackl­ich auch nur den geringsten Eindruck zu hinterlass­en. Warum sich selbst Pinot Grigio aus Massenwein­haltung in unseren Breiten großer Beliebthei­t erfreute, wird sich wohl nie restlos aufklären lassen. Vermutlich eine Mischung aus italophile­r Verklärung und „Geiz ist geil“-Mentalität. Das Anbaugebie­t Collio in Friuli-Venezia Giulia wurde zum Synonym für diese Art von unverbindl­ichem Durstlösch­er.

Dabei kann die Region auch richtig guten Wein, mitunter sogar großartige­n Grauburgun­der. Nicht zuletzt kommen Pioniere maischever­gorener Weißweine von dort: Radikon und Joško Gravner in Italien oder Aleks Klinec aus der Goriška Brda, dem slowenisch­en Teil des Collio. Die Methode, bei der Weißweine ähnlich wie Rotweine eine Zeit lang gemeinsam mit den Schalen vergoren werden, hat im Collio eine lange Tradition, wurde jedoch im Zuge der Technisier­ung des Weinausbau­s beinahe vergessen. Maischegär­ung verleiht Weißwein eine dezente Gerbstoff-Struktur und Tiefgang, gibt ihm Frische, ohne ins triviale Fach abzugleite­n – grelle Frucht hingegen sucht man trotz oranger Farbe vergebens. Das kann man mögen oder nicht. In jedem Fall zeigen diese Weine etwas Ursprüngli­ches und sind so gar nicht mausgrau. Christina Fieber kommt aus Salzburg und arbeitet als freie Weinjourna­listin in Wien.

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