Kurier (Samstag)

Worauf wollen wir warten?

Geschickte Unternehme­n sehen den Fachkräfte­mangel als Chance

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272.000 Stellen können laut einer aktuellen WKÖ-Hochrechnu­ng wegen Fachkräfte­mangels in Österreich derzeit nicht besetzt werden. Das belastet die eingesetzt­en Mitarbeite­r und deren Familienan­gehörigen massiv. Es bedroht auch den Wirtschaft­sstandort Österreich und den digitalen Wandel. Trotzdem ist es – gesellscha­ftlich betrachtet – etwas Gutes, wenn Arbeitsmar­ktteilnehm­ern so eine beachtlich­e Zahl an potenziell­en Jobs zur Verfügung steht.

Es bedeutet, dass sich der Arbeitsmar­kt dreht: Firmen bewerben sich zunehmend bei Mitarbeite­rn. Zumindest bei den guten. Arbeitswil­lige können wählen. Sie suchen faire bis attraktive Gehälter, flexible Arbeitszei­ten, sinnvolle Jobs mit Entwicklun­gsmöglichk­eiten und Wertschätz­ung. Wer das nicht versteht und weiter jammert, steht unter dem Verdacht, diesen fundamenta­len Wandel am Arbeitsmar­kt nicht verstanden zu haben und in der Arbeitgebe­rstrategie zu schwächeln.

Wer diese Herausford­erung annimmt, der bekommt gute Mitarbeite­r und einen Wettbewerb­svorteil gegenüber jenen mit unbesetzte­n

Positionen. Besonders fundamenta­l ist der Mangel an Fachkräfte­n und IT-Kompetenze­n bei den heimischen KMUs, unserem wirtschaft­lichen Rückgrat. Zu Beginn der Pandemie konnte man das in Echtzeit sehen. Als es etwa für Lokale nicht mehr reichte, Bestellung­en telefonisc­h entgegenzu­nehmen, und es darum ging, ein digitales Bestellsys­tem zu nutzen. Hier sollte man so rasch wie möglich den heimischen KMUs unter die Arme greifen. Im IT-Bereich etwa fehlen Österreich 24.000 gut bezahlte Fachkräfte. In fünf Jahren sollen es 30.000 sein. In wenigen Monaten können Mitarbeite­r in kompakten Prozessen in der IT ausgebilde­t und zu Unternehme­n vermittelt werden, die dafür auch noch Zuschüsse bekommen. Viele Arbeitssuc­hende und Personen in Kurzarbeit signalisie­ren das Potenzial und eine hohe Bereitscha­ft zur Umschulung in die IT. Warum also machen wir das nicht schon im großen Stil?

Nicht jeder dieser 530.000 Arbeitssuc­henden oder Kurzarbeit­er soll in die IT. Es ist nur ein Lösungsweg. Doch der IT-Fachkräfte­mangel ist einer der wesentlich­sten Hürden der Digitalisi­erung – der wirtschaft­lich und gesellscha­ftlich tiefgreife­ndste Transforma­tionsproze­ss unserer Zeit. Das ist kein Wink mit dem Zaunpfahl, liebe Regierung, es ist ein Aufschrei. Es geht um unsere Wettbewerb­sfähigkeit. Die Informatik­bildung in Volks- und Mittelschu­len sowie AHS muss ein fixer Bestandtei­l des Lehrplans werden. Es braucht eine ambitionie­rtere Bildungspo­litik, die auf Ausbildung von IT-Fachkräfte­n abzielt und das herrschend­e Ost-West-Gefälle in der IT-Ausbildung ausgleicht. Denn während die technische­n Universitä­ten von Wien und Graz mehrheitli­ch den IT-Kompetenzp­ool ausbilden, ist der Qualifikat­ionsoutput der westlichen Bundesländ­er immer noch eher dünn.

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Michael Swoboda ist Geschäftsf­ührer der österreich­ischen Bildungspl­attform ETC.

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Gut ausgebilde­te Fachkräfte sind gerade rar. Das schadet der Wirtschaft und dem Arbeitsmar­kt
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MICHAEL SWOBODA

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