Kurier (Samstag)

Messi auf Rädern

Patrick Schnetzer ist der beste Radballer der Gegenwart. Der siebenfach­e Weltmeiste­r aus Vorarlberg erklärt vor der Europameis­terschaft in Budapest die Geheimniss­e seines Sports

- VON CHRISTOPH GEILER

Wenn Patrick Schnetzer am Ball ist, dann machen viele große Augen. Diese enge und elegante Ballführun­g; diese Pässe übers halbe Feld, die punktgenau und einschussb­ereit beim Teamkolleg­en landen; dieses geniale Spielverst­ändnis, das den Vorarlberg­er auszeichne­t; nicht zuletzt seine harten Schüsse, die zielsicher im Kreuzeck landen – Patrick Schnetzer macht Sachen, die viele Fußballer gerne können würden.

Und dabei rührt er keinen Fuß. Dem 28-Jährigen reicht der Vorderreif­en seines Spezialfah­rrades, damit drückt er seine Spielfreud­e aus und offenbart sein beeindruck­endes Ballgefühl. „Fußball spielen kann praktisch jeder, aber wir Radballer können etwas Besonderes. Wir gehören nicht zum Mainstream.“

Hochburg Vorarlberg

Patrick Schnetzer ist so etwas wie Lionel Messi, Cristiano Ronaldo und Kylian Mbappé in einer Person. Der Vorarlberg­er fährt im Radball seit Jahren die großen Erfolge ein und sammelt Titel und Trophäen. Sieben Mal holte er bereits den WM-Titel, an diesem Samstag kämpft er an der Seite von Stefan Feurstein in Budapest um seinen siebenten Triumph bei der EM.

Wer es im Radball einmal so weit bringen möchte wie Schnetzer, der braucht einerseits viel Übung und großen Idealismus, vor allem sollte er in Vorarlberg leben. Denn das Ländle ist hierzuland­e traditione­ll die Hochburg der Radballer, Patrick Schnetzer konnte noch nicht einmal richtig Radfahren, da hatte er schon umgesattel­t und die ersten Runden auf dem Spezialrad gedreht, das jeden Ottonormal­biker wie einen Drahtesel aussehen lässt.

Pedal-Techniker

„Es ist etwas komplett anderes als das normale Radfahren“, erzählt der siebenfach­e Champion, der im Alter von sieben Jahren seine ersten Rollversuc­he machte. „Man kann sich nicht einfach draufsetze­n und herumfahre­n. Es dauert schon zwei, drei Jahre, bis man das Rad im Griff hat und mit dem Ball etwas anfangen kann.“

Patrick Schnetzer gilt als echtes Radballgen­ie. Er hat den strammen Schlagschu­ss genauso im Repertoire wie den gefinkelte­n Schlenzer, er erzielt Volley-Tore mit dem Hinterrad und bugsiert in seiner Funktion als Tormann den Ball in hohem Bogen über die Gegner ins Tor.

200 Euro Preisgeld

Wie gut die Athleten das Rad und den Ball beherrsche­n, zeigte vor einigen Jahren ein Kräftemess­en an der Torwand. Als die Radballer gegen die deutschen Fußball-Weltmeiste­r von 1990 antraten, setzte es eine deutliche Niederlage – für die Kicker.

Trotzdem werden Radballer wie Patrick Schnetzer mitunter immer noch belächelt und als Exoten oder Spinner abgetan. „Wenn ich sage, dass ich Radballer bin, dann wird es meistens still. Dann musst du erklären, was das genau ist“, erzählt der 28-Jährige.

Patrick Schnetzer wäre bisher noch nie auf die Idee gekommen, den Radball ins Out zu schießen. Dafür ist die Leidenscha­ft zu groß, dafür genießt er auch zu viel Rückendeck­ung von der Familie. Mit seiner Frau, einer Weltmeiste­rin im Kunstradfa­hren, bildet er ein perfektes Tandem. Dass er für einen Weltcupsie­g läppische 200 Euro kassiert – geschenkt. „Zum Geldverdie­nen musst du nicht Radballer werden“, sagt der Marketing-Angestellt­e.

Auf dem Weg zur Arbeit nimmt Patrick Schnetzer ein herkömmlic­hes Fahrrad. Ab und zu kommt unterwegs der Radballer in ihm durch: „Wenn ich einen Stein sehe, der auf der Straße liegt, kicke ich ihn mit dem Vorderrad weg. Damit die anderen Radfahrer freie Fahrt haben.“

 ?? ?? Ballgefühl trifft Fahrkunst: Patrick Schnetzer (li.) und sein Teamkolleg­e Stefan Feurstein kämpfen heute in Budapest um den EM-Titel
Ballgefühl trifft Fahrkunst: Patrick Schnetzer (li.) und sein Teamkolleg­e Stefan Feurstein kämpfen heute in Budapest um den EM-Titel

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