Kurier (Samstag)

Mehr gibt’s 2041, aber es muss nicht unbedingt sein

Die Biografie einer Frau, die in Wien 1920 um Schiele, Werfel, Altenberg kreiste

- P. PISA

Bibiana Amon. Über Anton Kuh, der sich mit Karl Kraus brillante Wortduelle geliefert hatte, war ja auch nicht allzu viel bekannt.

Trotzdem gelang dem Literaturw­issenschaf­ter Walter Schübler eine Biografie, die alle Stückeln spielt – sowohl was die Faktensamm­lung betrifft als auch die Lesbarkeit.

Kuhs verstreute Werke hat der Oberösterr­eicher zusätzlich zusammenge­tragen und herausgege­ben.

Nun war aber über Kuhs Kurzzeitve­rlobter Bibiana Amon, die in Wien 1910, 1920 um die Literatur kreiste, fast gar nichts bekannt.

Bloß ein paar Briefe und ihr Roman „Barrières“, der in Paris erschien und nicht ins Deutsche übersetzt wurde.

Das heißt: Jetzt wurde er zum Teil von Schübler übersetzt, denn er braucht das Buch für sein Buch – nachdem er klären konnte, dass „Barrières“nicht fiktiv, sondern Bibiana Amons Leben nah ist.

Deshalb liest man nun ganz genau: Der Geliebte ihrer Mutter hatte leuchtend rote Wangen wie ein Säugling und schätzte heiße Schokolade

mehr als Bier ... und Bibiana wurde, 15 Jahre alt, in der Waaggasse Nr. 4 missbrauch­t.

Charmant

Als Fährtenles­er war der Biograf 15 Jahre im Einsatz. Schüblers „Making of “am Ende von „Bibiana Amon“über viele leere Kilometer hat als guten Rat an Kollegen die Adresse einer Pariser Anwaltskan­zlei stehen:

An sie könne man sich wenden, aber erst im Jahr 2041. Sie verwaltet das Erbe, das 75 Jahre nach dem Tod öffentlich wird und vielleicht Tagebücher, Briefe, Manuskript­e enthält.

Zahlten sich die mühsamen Recherchen zwischen der Linzer Pfarre St. Josef und der Rue des Pyramides in Paris und Paris aus?

Maria „Bibiana“Amon (1892–1966) war ein It-Girl ihrer Zeit. Hauptsächl­ich im Café Herrenhof und im Café Central traf sie auf Literaten, die ihre Naivität durchaus charmant fanden.

Mit Peter Altenberg fuhr sie nach Venedig und nervte ihn so sehr, dass er die Stadt zu hassen begann. Von Schiele wurde sie als Schwangere im Atelier in der Alserbachs­traße gezeichnet. Werfel ließ sich von ihr für den Roman „Barbara oder Die Frömmigkei­t“inspiriere­n, für Anton Kuh war sie „die Strahlende“.

Auf alle Fälle war diese Frau eine laute Explosion, die man im Buch freilich nicht wiederhole­n kann.

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Foto von Bibiana Amon aus dem Nachlass von Anton Kuh
 ?? ?? Walter Schübler: „Bibiana Amon – Eine Spurensuch­e“Edition Atelier. 184 Seiten. 24 Euro
KURIER-Wertung: ★★★ά★
Walter Schübler: „Bibiana Amon – Eine Spurensuch­e“Edition Atelier. 184 Seiten. 24 Euro KURIER-Wertung: ★★★ά★

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