COVID-19 UND MIETRECHT
Univ.-Prof. Dr. Helmut Ofner über zwei neue Entscheidungen des OGH.
|merstenFallgingesumeinGeschäftslokal, das als Reisebüro verwendet wird. Im ersten Lockdown galt ein behördliches Betretungsverbot. Der 3. Sentat bestätigte zunächst seine Vorentscheidung (3 Ob 184/21m), wonach die Frage, ob (teilweise) Unbenutzbarkeit vorliegt, nach dem Vertragszweck zu beurteilen ist. Zur rechtlichen Bedeutung von Umsatzeinbußen wählte der OGH einen differenzierenden Ansatz: к Soweit Umsatzeinbußen des Geschäftsraummieters sämtlicheUnternehmerwie(auch)den Mieter des Geschäftslokals, insbesondere dessen gesamte Branche, allgemein treffen, so seien diese dem Unternehmerrisiko zuzuordnen und daher für den zu zahlenden Mietzins nicht relevant. Diese Auswirkungen der Pandemie seien keine Gebrauchsbeeinträchtigung des vom Vermieter zur Verfügung zu stellenden Objekts. Es gibt nach Ansicht des 3.Senates keine konkreten gesetzlichen Grundlagen, die praktisch eine ganze Branche treffenden Umsatzeinbußen als Unbrauchbarkeit des bestimmten Bestandsobjekts dem einzelnen Vermieter aufzubürden. к Lassen sich hingegen Umsatzeinbußen des Geschäftsraummieters auf behördliche Betretungsverbote zurückführen, die anlässlich der Covid-19-Pandemie verfügt wurden, so seien solche Umsatzeinbußen konkrete Folgen einer objektiven Einschränkung des vertraglich bedungenen Gebrauchs des Bestandobjekts und im Rahmen einer Mietzinsminderung zu berücksichtigen. к Als Ergebnis hielt der OGH daher fest, dass Umsatzeinbußen des Geschäftsraummieters zwar ein Indiz dafür sein können, dass eine (teilweise) Unbrauchbarkeit des Bestandobjekts vorliegt, allerdings müssen diese eineunmittelbareFolgeder–etwa wegen behördlicher Maßnahmen–eingeschränktenNutzungsmöglichkeit des Geschäftslokals sein.
Der zweite Fall betraf die Filiale eines Handels- und Gastronomieunternehmens. Der Umsatz in der Filiale ging zu zwei Drittel auf Non-Food-Artikel und zu einem Drittel auf Röstkaffee und Kaffeeausschank zurück. Während der Lockdowns waren die Mitarbeiter der Mieterin zu 5 %, zu 18 % und zu 24 % anwesend und führten unter anderem eine Inventur durch und schickten Ware zurück. Außerdem wurde in dieser Zeit die Verkaufsfläche neu gestaltet. Ein bestehendes „Click & Collect“-Service wurde während der drei Lockdowns aus wirtschaftlichen Erwägungen nicht angeboten. Der OGH ging davon aus, dass die Geschäftsfläche – zumindest zum Teil – auch während der behördlich verordneten Sperre für den Kundenbetrieb für die Mieterin dienlichgewesenist.Wieweitsie diesedafüreinsetzte,oblagihrer autonomen kaufmännischen Disposition.UnterBerücksichtigungallerAspekteerachteteder OGH einen Restnutzen im Ausmaß eines Drittels des Gesamtnutzens der Geschäftsräumlichkeit für vertretbar.