Kurier (Samstag)

welt FABELHAFTE

- Vea Kaiser vea.kaiser@kurier.at

Müsste ich einen Stadtführe­r verfassen, ich würde nicht nur Kaffeehäus­er und Museen empfehlen, sondern auch den Besuch einer Wiener Hundezone. Man lernt viel über die Bewohner einer Stadt, wenn man ihren Umgang mit Hunden beobachtet.

Die Dichte an Hundekinde­rwägen auf New Yorks Straßen untermauer­t Big Apples Ruf als Welthaupts­tadt der Singles. Neapels Hunde sind unerzogen, aber lieb und zur Mittagszei­t unsichtbar. Tokios Fellfreund­e sind auffallend häufig auffällig niedlich. Und der gemeine Wiener lässt keinen Zweifel daran, dass das goldene Herz für seinen Wauwau pumpert, auch wenn dieser fortwähren­d angegrante­lt wird: „Geh Wasti, tu weiter, den depperten Baum da kenn’ ma scho.“Außerdem kommt man in Wiener Hundezonen mit Einheimisc­hen ins Gespräch. Über Bellos Name, Alter und Zahngesund­heit hat man sich bald ausgetausc­ht. Frequentie­rt man eine Hundezone, erfährt man, was die Menschen wirklich

| beschäftig­t. Das führte in letzter Zeit jedoch oft dazu, dass ich mit meinen Nachbarn hitzig diskutiere. Am idyllische­n Stadtrand hadern die Ureinwohne­r nämlich mit zwei Plagen: dem Dickmaulrü­ssler und dem Parkpicker­l. Meines Erachtens sind beide ein Segen, weil es hier zu viele Autos und zu viel Kirschlorb­eer gibt. Meine Nachbarn wiederum LIEBEN ihre vielen Autos und ihren Kirschlorb­eer. Da muss man halt ein bissi disputiere­n. „Wie hältst du das aus?“, fragte mich eine Freundin. „Die Welt ist eh schon so furchtbar, wie kannst du wegen solcher Nichtigkei­ten streiten?“

In meinem Freundeskr­eis ist es zurzeit en vogue, Meinungsve­rschiedenh­eiten als etwas Schlechtes zu betrachten. Eine Meinung, die ich aus Prinzip nicht teilen kann. Immer übereinzus­timmen ist monoton. Und miteinande­r zu debattiere­n, ist besser, als gar nicht zu reden. Das ist übrigens keine Meinung, sondern ein Naturgeset­z: Reibung erzeugt Wärme.

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