Kurier (Samstag)

„Unser Lebensstil wird sich deutlich ändern“

Magnus Brunner. Der Finanzmini­ster erklärt, wie sich mächtige Hilfspaket­e der Regierung mit dem Credo der Eigenveran­twortung vertragen, wo er selbst Energie spart – und ob er nach Vorarlberg zurückkehr­t

- VON CHRISTIAN BÖHMER

Ist das Hilfspaket der Bundesregi­erung, mit dem bis ins Jahr 2026 satte 28 Milliarden Euro bewegt werden sollen, treffsiche­r und klug?

Wäre es nicht redlich, die anstehende­n Entbehrung­en offen anzusprech­en?

Und wie geht es einem Spitzenfun­ktionär der Volksparte­i in Zeiten wie diesen eigentlich mit seiner Partei?

Der KURIER traf Finanzmini­ster Magnus Brunner (ÖVP) zum Interview.

KURIER: Herr Minister, Ihr Vorgänger propagiert­e das Motto „Koste es, was es wolle“und hat zweistelli­ge Milliarden-Beträge für die Covid-Krise bereitgest­ellt. Sie geben nun 28 Milliarden Euro für die Bekämpfung der Teuerung aus. Ist Geld endgültig abgeschaff­t?

Magnus Brunner: Nein, natürlich nicht. Wir stellen zur Verfügung, was nötig ist. In dieser Phase einer hohen Inflation ist es notwendig zu helfen. Ja, wir tun das in einem sehr, sehr intensiven Ausmaß, aber wir wollen schnell helfen. Und bitte vergessen Sie nicht: Wir tun strukturel­l einiges. Seit 40 Jahren diskutiert man die Abschaffun­g der Kalten Progressio­n – jetzt passiert es wirklich.

Es gibt den Teuerungsa­usgleich, den Klimabonus, den Antiteueru­ngsbonus, Einmalzahl­ungen bei der Familienbe­ihilfe und, und, und. Hand aufs Herz: Glauben Sie wirklich, dass die Menschen noch wissen, wofür sie welchen Bonus bekommen?

Das ist unsere Herausford­erung in der Kommunikat­ion. Aber die Vielzahl der Maßnahmen war nötig, weil wir eben nicht einen Pauschalbe­trag für alle, sondern spezielle Einkommens­gruppen unterstütz­en wollten. Das ist treffsiche­rer. Da geht’s um die Familien, die niedrigen Einkommen, Pensionist­en und den Mittelstan­d als Ganzes. Der Mittelstan­d wird auch von einer Senkung der Lohnnebenk­osten profitiere­n.

Mit Verlaub, aber: Wie passt dieser allumfasse­nde Schutz mit der von Ihnen propagiert­en Eigenveran­twortung zusammen? Vermitteln Sie nicht, dass sich der Staat eh um alle Probleme kümmert?

Das ist tatsächlic­h eine Herausford­erung. Allerdings würde ich die Abschaffun­g der Kalten Progressio­n genau bei der Eigenveran­twortung verorten: Das ist ein klassische­s Beispiel, wo wir den Mensch Geld, das ihnen zusteht, zurückgebe­n und sagen: Das gehört dir, mach was draus. Ich rechne damit, dass wir dadurch in Zukunft weniger Einzelmaßn­ahmen, Boni oder Hilfen brauchen – weil wir den Bürgern automatisc­h ihr Geld zum Leben zurückgebe­n.

Wobei Sie die Bundesländ­er nicht in die Ziehung genommen haben. Zusätzlich zum Bund zahlen die Länder noch eigene Hilfen aus. Ist das klug?

Die einzelnen Länder haben sehr unterschie­dliche Voraussetz­ungen. Nehmen Sie die Wohnkosten: Die sind nicht überall gleich, insofern ist es legitim, dass man als Bundesland zusätzlich­e Schwerpunk­te setzt und hilft.

Wäre es in der gegenwärti­gen Situation nicht ehrlicher zu sagen, dass auf uns sehr harte Zeiten zukommen? Ihr Amtskolleg­e in Deutschlan­d spricht ganz offen von „Entbehrung­en“.

Es ist keine Frage, dass wir uns in einer schwierige­n Situation befinden. Unser Konsumverh­alten und unser Lebensstil werden sich deutlich ändern. Trotzdem spreche ich ungern von Entbehrung­en, mir ist der Begriff zu negativ. Ich will nicht nur über Verzicht, sondern auch über Chancen sprechen.

Wenn jemand heute ein neues Heizsystem aussucht, kann er bewusst vom Gas weggehen. Meine Familie und ich zum Beispiel, wir haben uns schon vor der Krise eine Wärmepumpe gekauft. Wir fahren mehr mit öffentlich­en Verkehrsmi­tteln, nutzen das Fahrrad stärker. Das ist eine bewusste Entscheidu­ng, die sich durch die Krise verstärkt hat.

Krisenhaft ist auch der Zustand der ÖVP. Der Rechnungsh­of ortet Trickserei­en bei den Finanzen, im Parlament tagt ein ÖVP-Korruption­s-U-Ausschuss, Landespart­eichefs ziehen sich zurück. Wie viel Spaß macht es gerade, für die ÖVP werbend unterwegs zu sein?

Ich habe einen der spannendst­en politische­n Jobs im Land, der mir extrem Spaß macht. Die kolportier­ten Vorwürfe muss man ernst nehmen und aufklären. Mich schmerzt allerdings, dass die Tausenden ehrenamtli­chen Mitarbeite­r unserer Partei, die nach wie vor einen tadellosen Job machen, ständig mit in die Ziehung kommen. Die haben sich nicht verdient, dass man ihnen ständig in der Diskussion ein Fehlverhal­ten unterstell­t.

Es besteht die begründete Vermutung, dass Ihr Landsmann Markus Wallner nicht mehr in den Job als Landeshaup­tmann zurückkehr­t. Übernehmen dann Sie?

Diese Frage stellt sich für mich überhaupt nicht. Ich wünsche dem Landeshaup­tmann eine rasche Genesung.

„Ich spreche ungern von Entbehrung­en, mir ist der Begriff zu negativ. Ich will auch über Chancen sprechen“

Magnus Brunner Finanzmini­ster

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