Kurier (Samstag)

Hoffnungss­chimmer am Westbalkan

Das Treffen in Brüssel blieb ergebnislo­s für eine Region, die dringend Lichtblick­e braucht. Völlig überrasche­nd lieferte Bulgarien so einen am Freitag

- VON MIRAD ODOBAŠIĆ Die Regierungs­chefs Rama (Albanien), Petkow (Bulgarien) und Đukanović (Montenegro) Von der EU unerwünsch­t

„Nein. Nein. Nein. Nein. Nein. Nein. So lautet in Kürze die Bilanz des am Donnerstag in Brüssel abgehalten­en Westbalkan-Gipfels“, schrieb die Deutsche Welle (DW) wenige Stunden nach dem Treffen der Regierungs­chefs, das für die Region historisch hätte werden können.

Es kam aber ganz anders. „Ein schlechter Tag für den Westbalkan“, titelte das Medium am Tag danach, der (fast) in der gesamten Region im Zeichen des großen Gipfel-Katers steht.

Die sechs „Nein“beziehen sich auf die nicht erfüllten Erwartunge­n, die für die Region zukunftswe­isend sind. Denn obwohl einige europäisch­e Regierungs­chefs, darunter auch Österreich­s Kanzler Karl Nehammer, vehement einen Beginn der Beitrittsv­erhandlung­en mit Nordmazedo­nien und Albanien forderten, kam es dazu nicht.

Genau wie zum lange geforderte­n Ende der Visumspfli­cht für die Staatsbürg­er des Kosovo bei Reisen in die EU. Oder zum Kandidaten­status für Bosnien und Herzegowin­a. Oder zu Fortschrit­ten bei den laufenden Beitrittsv­erhandlung­en mit Montenegro. Nicht einmal in der Frage, wie mit Serbiens ablehnende­r Haltung gegenüber den Russland-Sanktionen umgegangen werden soll, einigte man sich.

Wende in Bulgarien

Wie unberechen­bar die Politik am Balkan sein kann, zeigte sich gleich am Freitag. In Bulgarien, dem einzigen EUMitglied­sstaat, der den Beginn von Beitrittsv­erhandlung­en mit Nordmazedo­nien und Albanien noch blockiert hatte, fand am Freitag die plötzliche Wende statt. Am Tag nach dem EU-Westbalkan­gipfel und nur zwei Tage nach dem erfolgreic­hen Misstrauen­svotum gegen den pro-westlichen Ministerpr­äsidenten Kiril Petkow stimmte das Parlament

in Sofia mehrheitli­ch dafür, das Veto gegenüber Albanien und Nordmazedo­nien nach Monaten aufzuheben.

Der Druck der anderen 26 EU-Mitglieder, allen voran Frankreich­s, auf den ehemaligen bulgarisch­en Ministerpr­äsidenten und heutigen Opposition­sführer Bojko Borissow, war wohl zu groß. Mit seiner GERB-Partei hatte er in dieser Frage stets Mehrheiten verhindert.

Damit liegt der Ball jetzt bei den EU-Außenminis­tern, die schon bald den Verhandlun­gsbeginn festzurren werden. Für Nordmazedo­nien und Albanien dürfte dann ein jahrelange­r Prozess folgen, wie ihn etwa Montenegro gerade durchläuft – seit Langem ohne nennenswer­te Fortschrit­te.

Der Frust am Balkan bleibt vorerst trotz der bulgarisch­en Wende groß. Im Gespräch mit dem serbischen Staatssend­er RTS äußerte die Präsidenti­n des serbischen Zentrums für Außenpolit­ik, Suzana Grubješić, Verständni­s für den Unmut der Staatsmänn­er vom Balkan. Die Region habe beim Treffen in Brüssel nichts bekommen. Zuvor sei ihr allerdings auch nichts angeboten worden, lautet das Urteil der Expertin.

Keinen Zweifel daran, was die EU tatsächlic­h vom Westbalkan will, ließen am Freitag die dortigen Medien. „Die Westeuropä­er wollen den Balkan nicht in der EU haben“, titelt das serbische Portal Blic.rs und bezieht sich dabei auf Timothy Less, einen Cambridge-Professor, den man eigens zu diesem Anlass interviewt hat. Westeuropa wolle „eine Gemeinscha­ft reicher Länder, die dieselben Werte teilen und keine Armen und Problemkin­der“.

Die bosnische Zeitung Nezavisne novine nannte als Gründe für die ablehnende Haltung der Westeuropä­er allerdings auch die Uneinigkei­t in der bosnischen Politik.

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