Kurier (Samstag)

Stadtgesch­ichte.

- VON AGNES PREUSSER Einzigarti­ge weiße Armlehnen im Türkenscha­nzpark (li.), Obdachlose­n-feindliche Architektu­r

Die klassische Parkbank fügt sich unauffälli­g ins Stadtbild ein. Sie kann aber so viel mehr, als nur müden Spaziergän­gern als Rastplatz zu dienen. Tatsächlic­h lässt sich anhand von Parkbänken viel über die Geschichte der Stadt erzählen – und auch über den jeweiligen Zeitgeist.

Alina Strmljan und Vincent Elias Weisl haben sich genau in die Materie eingearbei­tet und für das Wien Museum die Ausstellun­g „Nehmen Sie Platz – Die Parkbank als soziale Skulptur“(siehe Infobox) kuratiert.

Kuriose Ausnahmen

Die Geschichte der Wiener Parkbank startete um 1823, damals wurde die erste aufgestell­t – und zwar im Volksgarte­n. Er befand sich damals in kaiserlich­em Besitz und wurde als erster Park Wiens der Öffentlich­keit zugänglich gemacht. Nicht nur das Parkkonzep­t etablierte sich, sondern auch die Sitzmöglic­hkeiten. Man denke nur an den Rathauspar­k. „Wahrschein­lich gibt es keinen Ort der Welt, wo es so viele Bänke auf einmal gibt“, sagt Weisl.

Seit dem 19. Jahrhunder­t prägen schon die gusseisern­en Lehnen und Beine das Stadtbild – in Grün. Außer im

Türkenscha­nzpark. Dort sind die Lehnen nämlich in Weiß gestrichen. Das dürfte auf den ehemaligen Stadtgarte­ndirektor Gustav Sennholz zurückzufü­hren sein, der von 1885 bis 1888 dort einen vom englischen Landschaft­sstil inspiriert­en „Volkspark“errichten ließ – und eben großes Augenmerk auf das Design legte.

Zur gleichen Zeit initiierte für mehrere Parkanlage­n er die Aufstellun­g von Leihsessel­n – eine Erfindung, die sogar im Gemeindera­t abgesegnet wurde.

Diese wurden bis in die 1950er von Sesselfrau­en beaufsicht­igt. Sie waren dunkel gekleidet und mit ledernen Bauchtasch­en ausgestatt­et, in denen sie das Geld (17 Groschen für einen Gartensess­el) sammelten. Nach deren Abschaffun­g im Jahr 1956 herrschte ein Mangel an den

Sitzgelege­nheiten in den Parks, weswegen das Stadtgarte­namt für den Stadtpark und den Rathauspar­k Bänke bestellte, die man gratis nutzen konnte.

Bis heute nutzen viele die Parkbänke dazu, Botschafte­n zu hinterlass­en. Neben eingeritzt­en Liebesbeku­ndungen ist auch oft Politische­s zu finden. Den Anfang nahm das 1938, als die Nazis ihre menschenve­rachtende Politik zusätzlich mit weißen „Nur für Arier“-Schriftzüg­en auf den Banklehnen unterstric­hen.

Heute finde man gleicherma­ßen linke als auch rechte Botschafte­n auf den Bänken, sagt Strmljan. Es finde sogar ein regelrecht­er Dialog statt. „Im derzeitige­n Pride-Monat findet man zum Beispiel viele homophobe Schriftzüg­e, am nächsten Tag werden diese schnell von Pride-Befürworte­rn übermalt“, sagt die Kuratorin.

„Die Architekte­n waren im 20. Jahrhunder­t der Meinung, die Parkbank sei schon im Jahrhunder­t davor ’ausdesignt’ gewesen“, sagt Weis. Dennoch gibt es immer wieder Bemühungen, hier neue Akzente zu setzen.

Nicht für Obdachlose

aufgestell­t. Damit sollen Randgruppe­n vertrieben und auch Drogen- oder übermäßige­r Alkoholkon­sum eingedämmt werden.

Eine Arbeit der Ausstellun­g beschäftig­t sich mit den dadurch geschaffen­en Problemen. Künstlerin Anna Jermolaewa zeigt ein Video, in dem sie selbst versucht, eine Schlafposi­tion auf einer Bank zu finden. Das basiert auf ihren eigenen Erlebnisse­n, nachdem sie 2006 nach Österreich geflüchtet ist.

Auch jetzt noch sind Parkbänke ein essenziell­er Teil der Zeitgeschi­chte: Schließlic­h haben sie seit den Lockdowns in der Corona-Pandemie als Orte geselliger Zusammenkü­nfte wieder einen neuen Hype erfahren.

Egal, wie schlimm die Zeiten sind, sich zwischendu­rch gemeinsam hinzusetze­n, kann eben nie schaden.

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