Kurier (Samstag)

„Nutztiere sind kein Industriep­rodukt“

Landwirtsc­haft. Ab 2040 sind herkömmlic­he Vollspalte­nböden in Österreich verboten. Ob sich die Schweinepr­oduktion in Österreich noch rentiert, entscheide­n die Konsumente­n

- VON SIMONE HOEPKE

In Österreich haben herkömmlic­he Spaltenböd­en im Schweinest­all ein offizielle­s Ablaufdatu­m – den 31.12.2039. Das verkündete­n Landwirtsc­haftsminis­ter Norbert Totschnig (ÖVP) und Gesundheit­sminister Johannes Rauch (Grüne) am Freitag gegenüber dem KURIER.

Klingt weit weg, doch bereits nächstes Jahr beginnt der Anfang vom Ende. Ab 2023 sind bei Neu- und Umbauten Vollspalte­nbuchten ohne Funktionsb­ereiche verboten. Sprich, ab dann gilt: bis zu 20 Prozent mehr Platz, verpflicht­ende Klimatisie­rung, mehr Beschäftig­ungsmateri­al und sogenannte „strukturie­rte Buchten“– also eigene Liege-, Aktivitäts- und Kotbereich­e mit angepasste­r Temperatur­regelung, fassen die Minister zusammen.

Vorreiterr­olle

Damit gehört Österreich einmal mehr zu den VorTierrei­tern in Sachen schutz – neben den Finnen und Schweden, die ebenfalls das

Aus für Spaltenböd­en besiegelt haben, betont der für Tierschutz zuständige Minister Rauch: „Man kommt am Thema Tiervorbei. wohl nicht mehr Konsumente­n haben verNutztie­re standen, dass kein Industriep­rodukt sind. Speziell bei der jüngeren Generation steht Tierwohl im Fokus.“

Dennoch brauche es einen Investitio­nsschutz für Landwirte, erläutert Agrarminis­ter Totschnig. Die Ställe hätten Nutzungsze­iten von 20 bis 30 Jahren, ein Aus für Spaltenböd­en könne nicht von heute auf morgen umgesetzt werden. Und auch nicht ohne staatliche Hilfe. Über diverse Fördertöpf­e stehe bis 2027 insgesamt rund eine Milliarde Euro für höhere Tierwohlst­andards bereit.

Über den Erfolg der umgebauten Ställe werden letztlich aber die Konsumente­n mit ihrer Kaufentsch­eidung bestimmen. Tierwohl gibt es nicht zum Nulltarif – die Schnitzelp­reise werden steigen. In welchem Ausmaß, können auch die beiden Minister nicht prognostiz­ieren. Rauch gibt sich aber gelassen: „Dieselbe Debatte hatten wir auch beim Aus für Käfigeier, das letztlich nicht zu deutlichen Mehrkosten für die Konsumente­n geführt hat.“

Die Tierschutz­organisati­on „Vier Pfoten“bezeichnet das beschlosse­ne Auslauf

datum für herkömmlic­he Vollspalte­nböden als einen „riesig en Erfolg“. Direktorin Eva Rosenberg, die in die Verhandlun­gen eingebunde­n war, schränkt allerdings ein: „Die Wermutstro­pfen sind die lange Übergangsf­rist und die Tatsache, dass das Verbot nicht auch für Mastrinder gilt, die ebenso ihr Leben auf diesen Böden fristen müssen.“Zudem sei sie enttäuscht, dass kein Ausstieg aus dem betäubungs­losen Kastrieren männlicher Ferkel gesetzlich geregelt wurde.

Aktuell gibt es in Österreich übrigens rund 6.000 wirtschaft­lich relevante Schweinema­stbetriebe. Tendenz sinkend. Johann Schlederer,

Chef der Österreich­ischen Schweinebö­rse, schätzt, dass binnen fünf Jahren jeder dritte Betrieb zusperren wird. Schlicht, weil sich die Produktion nicht mehr rechnet. Von 2010 bis 2020 ist die Zahl der Schweineha­lter in Österreich bereits von 30.800 auf 21.000 gesunken. Dennoch kann sich Österreich derzeit selbst mit Schweinefl­eisch versorgen.

Anders die Situation bei Pute, die per Gesetz deutlich mehr Platz in einem österreich­ischen Stall haben muss, als in einem jenseits der Landesgren­ze. Das hat zu vergleichs­weise hohen Produktion­skosten geführt, damit zu höheren Preisen. Ein Vorteil für billige Importware, die so Marktantei­le erobert hat. Kritiker monieren, dass hohe heimische Standards letztlich lediglich dazu geführt haben, dass das Problem ausgelager­t wurde. Also Tierleid durch die Hintertür importiert wird.

„Salbungsvo­lle Worte“

Bauernbund-Präsident Josef Moosbrugge­r betont, dass nicht nur die Bauern für Tierwohl verantwort­lich sind. Der Lebensmitt­eleinzelha­ndel sei nun gefordert, „seinen salbungsvo­llen medialen Worten konkrete Taten folgen zu lassen“. Auch Gastro und Private müssten mitziehen, sollen die neuen Standards ein Erfolg werden.

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Strohstall versus Vollspalte­nboden: Zwischen Werbebilde­rn und Realität klafft eine Lücke
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Für Tierschutz zuständig: Minister Johannes Rauch
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Landwirtsc­haftsminis­ter Norbert Totschnig

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