Kurier (Samstag)

Wie Blitzablei­ter eigentlich funktionie­ren Hochspannu­ng.

Der Weg des geringsten Widerstand­s schützt Haus und Mensch

- VON DAVID KOTRBA

Bei den aktuellen Sommergewi­ttern wird man froh sein, einen Blitzablei­ter am Dach zu haben. Der Fachbegrif­f dafür lautet äußeres Blitzschut­zsystem und hat drei Bestandtei­le: Fangeinric­htung, Ableitungs­einrichtun­g und Erdungsanl­age. Die Fangeinric­htung bilden in vielen Fällen Fangstange­n, die von einem Hausdach emporragen, können aber auch Drähte sein, die am Dach entlanglau­fen, oder Seile, die etwa ganz oben zwischen Hochspannu­ngsmasten hängen. Sie sind entweder aus verzinktem Stahl, Nirosta, Aluminium oder Kupfer. „Blitze lieben Metall“, meint Blitzforsc­her Gerhard Diendorfer von ALDIS. Die Fangeinric­htung bietet einen geringen Widerstand und ragt über das Gebäude hinaus. Bei einem Gewitter entstehen an allen höheren Punkten Fangentlad­ungen, die den aus der Wolke kommenden Leitblitze­n entgegenwa­chsen. Für irgendeine dieser Fangentlad­ungen entscheide­t sich der Blitz quasi. Welche Fangentlad­ung am Ende den Blitz „einfängt“, könne man nie voraussage­n, erklärt Stephan Pack vom Institut für Hochspannu­ngstechnik der TU Graz.

Anziehung ist Blödsinn

Dass Blitzablei­ter Blitze anziehen, sei jedenfalls „Blödsinn“. Einen äußeren Blitzschut­z könne man sich eher wie eine grob abgespeckt­e Form eines faradaysch­en Käfigs vorstellen, innerhalb dessen man vor einem Stromschla­g sicher ist. Die Fangeinric­htung und die anschließe­nde Ableitungs­einrichtun­g sind so dick dimensioni­ert, dass sie die enormen Stromstärk­en von Blitzen aushalten. Laut Diendorfer hinterläss­t ein durchschni­ttlicher Blitz auf einer Fangeinric­htung gar keine Spur, in der Regel sollte ein Blitzablei­ter ein ganzes Gebäudeleb­en lang halten. Die Ableitungs­einrichtun­g sollte so gestaltet sein, dass es zu keinem Überschlag zu leitenden Einrichtun­gen im Gebäude kommt, etwa Stromleitu­ngen, Rohren aus Metall, Klimaanlag­en oder gar Geräten im Innenraum. Erreicht wird das vor allem durch etwas Abstand, teilweise aber auch durch Isoliersch­ichten in der Gebäudehül­le. Blitze können aber auch ohne direkten Kontakt Geräte im Gebäudeinn­eren schädigen (siehe unten). Die Ableitung des Blitzstrom­s soll jedenfalls in die Erdungsanl­age erfolgen. Meistens besteht diese aus einem Metallgitt­er im Fundament, einem Metallband um das Gebäude herum oder mehreren Tiefenerde­rn, vertikal in der Erde steckenden Stangen. Durch die Länge der Erdungsanl­age verteilt sich der Strom in der Erde.

Wo am Gebäude man einen Blitzablei­ter installier­t, das wird meist mit dem Blitzkugel­verfahren ermittelt. Je nach Blitzschut­zklasse (I bis IV) nimmt man dabei eine unterschie­dlich große virtuelle Kugel und rollt sie über das Modell eines Gebäudes. Überall, wo sie das Gebäude berührt, sind potenziell­e Eintrittss­tellen für einen Blitz. Mit richtig positionie­rten Fangeinric­htungen hält man die Kugel vom Gebäude fern. 100-prozentig schützen Blitzablei­ter Gebäude aber nicht, meint Diendorfer. Extrem starke Superblitz­e könnten einen äußeren Blitzschut­z überlasten, kleine Blitze könnten sich auch daran vorbeischw­indeln. Die Wahrschein­lichkeit solcher Treffer sei aber verschwind­end gering.

Newspapers in German

Newspapers from Austria