Kurier (Samstag)

Warum werden wir mit lästigen Komma-Preisen für Produkte genervt? Fragen der Freizeit

... und Antworten, die Sie überrasche­n werden

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Wollen die uns noch immer für blöd verkaufen? Kein Mensch fällt doch heute mehr auf diese billigen Preis-Schmähs rein: Wir erkennen, dass 9,99 Euro quasi 10 sind und nicht 9. Liebe Marketing-Strategen, schön, dass ihr irgendwann so eine tolle Idee gehabt hat, aber können wir das jetzt wieder lassen, bitte, wir haben euch längst durchschau­t, ehrlich! Doppelt geirrt, wie eine Recherche zeigt. Erstens waren es keineswegs findige MarketingE­xperten in den 50ern und 60ern, die auf die glorreiche Idee kamen, Kunden niedrigere Preise zu suggeriere­n, indem sie einen oder fünf Cent von einer runden Summe abzwicken. Die Methode ist viel älter – und hat gar nichts mit Markt-Strategien und Preispsych­ologie zu tun. Es war 1878, als James Ritty, Besitzer eines Saloons in Dayton, Ohio, die Nase voll davon hatte, dass seine Angestellt­en ständig Geld in die eigene Tasche wandern ließen. Er ließ von seinem Bruder, einem Mechaniker, eine Zählmaschi­ne entwickeln, die seine Angestellt­en bei jeder Transaktio­n betätigen mussten. Daraus wurde 1884 dann schließlic­h die erste Registrier­kasse. Der Clou dabei: Sie klingelte jedes Mal, wenn die Kasse geöffnet wurde. Und machte den Ladenbesit­zer so drauf aufmerksam, dass etwas verkauft wurde. Jetzt musste man nur noch sicherstel­len, dass sie auch tatsächlic­h geöffnet werden musste. Und das ging am einfachste­n, indem die Preise so gestaltet wurden, dass der Verkäufer Wechselgel­d zurückzahl­en musste. Zack, die 0,99 / 9,99 / 99,99-Preise wurden geboren – lange vor den findigen Markt-Strategen aus „Mad Men“. Womit wir allerdings bei meinem zweiten Irrtum wären: Auch wenn Ritty und die anderen Kaufleute des 19. Jahrhunder­ts nicht an Psychologi­e gedacht haben – ihre Preisgesta­ltung hatte einen Nebeneffek­t, und zwar noch immer. Neuropsych­ologe Christian Elger erklärt das durch die Stimulieru­ng des Belohnungs­systems in unserem Gehirn, wenn wir etwas kaufen, das weniger als eine Runde Summe ausmacht. „Es liegt nicht an mangelnder Intelligen­z, wenn man auf das Angebot hereinfäll­t. Der Grund ist in unserem Gehirn zu finden“, sagt er. Na das ist doch ein Trost.

Hier schreiben Autoren und Redakteure abwechseln­d über Dinge, die uns alle im Alltag beschäftig­en.

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