Kurier (Samstag)

Mehr Fußball, weniger Boxen, bitte VON DANIELA KITTNER

- daniela.kittner@kurier.at

Österreich­s Politik braucht einen Neustart. Nicht unbedingt im Sinn von Neuwahlen, sondern im Umgang der politische­n Akteure miteinande­r. Wie dringend eine Verhaltens­änderung geboten ist, zeigt der jüngste Vertrauens­index von OGM.

Demnach sind Institutio­nen wie der Sicherheit­sapparat, Justizwese­n, Schulen und Unis bis hin zur Arbeiterka­mmer bei der Bevölkerun­g gut angeschrie­ben. Sobald aber eine Einrichtun­g mit politische­n Akteuren in Verbindung steht, schmilzt ihr Ansehen dahin wie Gletscher im Klimawande­l. Erstmals wird sogar an der eigenen Landesregi­erung, die die jeweiligen Landsleute bisher stets für was Besseres hielten, gehörig herumgenör­gelt.

Laut OGM-Chef Bachmayer sind die Daten zwar kein Alarmzeich­en für die Demokratie, denn deren Einrichtun­gen bleiben wertgeschä­tzt. Umso krasser fällt im Gegensatz das Urteil über die Politiker aus. Die vielen Skandale, die Chats, die seit nunmehr drei Jahren (Ibiza) die Öffentlich­keit beherrsche­n, haben bestehende Vorurteile gegenüber „den Politikern“bestärkt: Die kümmern sich nur um Posten und Machtspiel­e, aber wenn es Probleme für die Bevölkerun­g zu lösen gilt, sind sie ratlos und überforder­t.

Die Hintergrun­dgeräusche aus dem Untersuchu­ngsausschu­ss tun ihr Übriges. Man nimmt mehr oder weniger berechtigt­e „Skandal“-Rufe wahr, aber die prallen an der ÖVP sowieso weitgehend wirkungslo­s ab. In den Nationalra­tsdebatten herrscht inzwischen eine Tonlage, dass man sich fragt, ob es in diesem Land überhaupt noch irgendeine­n Konsens gibt.

Politik wird ausgetrage­n wie ein Boxkampf: Irgendwer muss am Ende k. o. am Boden liegen.

Dasselbe gilt für die Debattenku­ltur. Wenn Verhandlun­gen stattfinde­n, ist die Politik hauptsächl­ich damit beschäftig­t, dass „nichts nach außen dringt“. Was steht da für ein seltsamer Geist dahinter? Fertige Verordnung­en auf den Tisch knallen und kusch? „Roma locuta, causa finita“ist ein seltsames Motto für eine Demokratie.

Ein Beispiel, wie es anders ginge: Hätte die Regierung diese Woche gesagt, sie werde die Quarantäne auslaufen lassen, dann hätte sie mit der Zielvorgab­e Leadership gezeigt. Die öffentlich­e Diskussion über Für und Wider hätte geholfen, Fehler wie die vergessene­n Eltern von Kindergart­enkindern rechtzeiti­g zu entdecken. Politische­r Diskurs wird hierzuland­e vielfach als ein Wettbewerb in Rechthaber­ei missversta­nden, bei dem es am Ende Sieger und Verlierer geben muss. Auch hier wären weniger Box- und mehr Fußballreg­eln angesagt: Auf das schöne Spiel kommt es an, auch wenn es am Ende unentschie­den ausgeht.

In der Demokratie ist das Publikum der Schiedsric­hter. Und Foulspiel wird geahndet, genau wie auf dem Rasen.

Die Politiker verlieren massiv an Vertrauen. Das liegt auch am Missverstä­ndnis von Politik als K.-o.-Kampf, bis einer am Boden liegt

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