Baerbock im griechisch-türkischen „Minenfeld“
Deutsche Chefdiplomatin versuchte, im Streit zwischen den NATO-Partnern zu schlichten
Doppelbesuch. Der Freitag war für die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock intensiv. Zuerst Athen, dann Istanbul – zwei Metropolen, zwei Welten, die zuletzt massiv aufeinanderprallten. Die Grün-Politikerin versuchte zu schlichten. An Konfliktstoff mangelt es nicht.
• Gebietsansprüche Die Türkei stellt die Souveränität großer Inseln in der Ostägäis in Frage – darunter Rhodos, Samos oder Kos. Begründung: Diese seien militarisiert, was den Verträgen von Lausanne (1923) und Paris (1947) widerspräche. Athen rechtfertigt das mit dem Recht auf Selbstverteidigung und verweist auf die türkischen Landungsboote an der Küste – die eine Bedrohung darstellten.
Zimperlich sind beide Seiten nicht: Ankara provoziert mit bewussten Verletzungen des griechischen Luftraumes – durch Überflüge von bewohnten Inseln. Der griechische Premier schießt verbal zurück und spricht vom „Fiebertraum von Extremisten“.
• Erdgas Zu Zwist zwischen den beiden NATO-Partnern führt auch immer wieder die Frage, wem das Erdgas gehört, das sich unter dem Meeresboden befindet. In den Streit ist auch Zypern verwickelt – was die Sache noch komplizierter macht. Denn der Nordteil der Insel ist seit 1974 von türkischen Truppen besetzt. Die dort ausgerufene Republik wird nur von Ankara anerkannt. Die Türkei will am 9. August erneut ein Bohrschiff in die umstrittene Region schicken. Ähnliche Aktionen zuvor hatten zu massiven Spannungen geführt.
• Flüchtlinge/Migranten Immer wieder versuchen Menschen per Boot von der Türkei nach Griechenland und somit in die EU zu gelangen. Dabei kommt es regelmäßig zu tödlichen Zwischenfällen. Athen und Ankara schieben sich stets gegenseitig die Schuld zu. Zudem wird Griechenland die Praxis illegaler „Pushbacks“vorgeworfen – also das (teils gewaltsame) Zurückdrängen von Flüchtlings- bzw. Migrantenbooten, was auch Baerbock kritisierte.
In diesem griechisch-türkischen „Minenfeld“musste sie jeden Schritt kalkulieren. Was die türkischen Gebietsansprüche anbelangt, sicherte sie Griechenland volle Solidarität zu. Das werde sie auch in Istanbul deutlich machen, sagte sie.
Zusätzlich zur brisanten Gemengelage standen auch bilaterale Schwierigkeiten im Raum. In Athen musste sich die Chefdiplomatin Kritik an den deutschen Waffenlieferungen an die Türkei anhören, zudem wurde erneut die Forderung nach Reparationszahlungen wegen des Zweiten Weltkrieges laut. In der Türkei lieferte sich Baerbock dagegen einen verbalen Schlagabtausch mit ihrem türkischen Kollegen rund um das Thema Menschenrechte. So forderte sie etwa die Freilassung des inhaftierten Aktivisten Osman Kavala.