Kurier (Samstag)

Er könnte ja auch Brot und Pizza machen oder sogar Taxi fahren

Wim Vandekeybu­s und seine Compagnie Ultima Vez hielten bei ImPulsTanz Rückschau auf 35 Jahre Tanztheate­r

- Bildgewalt­ig: „Scattered Memories“von Wim Vandekeybu­s P. JAROLIN

Kritik. Wim Vandekeybu­s ist bekanntlic­h ein Meister bildgewalt­iger Energien, einer, der Körper mit Musik, Film und allen anderen möglichen Elementen zu einer meist perfekten Symbiose führt. Und der Starchoreo­graf ist auch ein toller Geschichte­nerzähler. Das hat Vandekeybu­s beim diesjährig­en Festival ImPulsTanz im Wiener Volkstheat­er erst vor wenigen Tagen mit seiner fabelhafte­n Arbeit „Hands do not touch your precious Me“eindrucksv­oll bewiesen.

Denn Vandekeybu­s und seine Compagnie Ultima Vez rocken bereits seit 35 Jahren die internatio­nale Tanz-und Performanc­eszene ganz gehörig durch, zum Jubiläum gab es nun einen Rückblick.

„Scattered Memories“– also „Verstreute Erinnerung­en“– nennt Vandekeybu­s diesen Abend, den er mit 24 Tänzerinne­n und Tänzern (wieder im Volkstheat­er) präsentier­t. Und es sind kurze, dynamische Szenen, die er hier zu einer Art Medley aus früheren Choreograf­ien zusammenfü­gt. Eine Rahmenhand­lung soll das Ganze zu einer Einheit formen. Etwa der Monolog des Chefs zu Beginn,

in dem er sich an ein wenig glamouröse­s Gastspiel im niederländ­ischen Haarlem – der Beginn von Ultima Vez – erinnert. Oder ganz zum Schluss, als sein Alter Ego darüber sinniert, wie es weitergehe­n könnte. „Ich könnte Brot und Pizza machen oder sogar Taxi fahren oder gar nichts tun“, heißt es da.

Anziehung, Abstoßung

Zwischen dieser Klammer aber gibt es alles, was Vandekeybu­s ausmacht. Da huschen die Männer und Frauen über die Bühne, da prallen die Körperwelt­en im wahrsten Sinne des Wortes aufeinande­r, da changiert alles zwischen Anziehung und Abstoßung. Es regnet Sand. Auf der Leinwand – ein Tribut an den Filmregiss­eur Vandekeybu­s – werden Menschen überflutet. Und zu wummernden Beats entfalten sich Bilder voll brutal-zärtlicher Schönheit. Sprünge, Bisse, Küsse – das so extrem körperbeto­nte Theater zeigt sich in seiner ganzen Magie.

Und Humor gibt es auch. Etwa wenn sich eine Performeri­n plötzlich ein Gewehr um die Taille schnallt und droht, die Männer zu penetriere­n. Das Tanztheate­r des Wim Vandekeybu­s ist und bleibt eben eine bildgewalt­ige Wundertüte. Auch wenn diesmal keine Geschichte erzählt wird. Taxi fahren wird Vandekeybu­s nicht. Neue Projekte sind schon in der Pipeline. Ovationen!

★★★★ά

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