Kurier (Samstag)

ÜBER leben

- Guido.tartarotti@kurier.at

ein Körper und mein Kopf sind interessan­t konstruier­t. Im Herbst, Winter und Frühling ist mir kalt und ich fühle mich müde und leer. Meine Wohnung heize ich gerne auf 24 Grad (hoffentlic­h erfahren das weder Putin noch die neuen Moralhüter, die andere Menschen gerne fürs Heizen verdammen – HeizShamin­g ist das neue Flug-Shaming). Ich schlafe dennoch immer in dicken Socken. Hat es dagegen 30 Grad, dann fühle ich mich plötzlich lebendig und lege mich gerne in die Sonne. (Warum legt man sich eigentlich „in“die Sonne? Irgendwie klingt das ungemütlic­h.) Der beste Ort für mich, um meine durch Hitze erwachte Lebenskraf­t zu feiern, ist das Bad. Ich habe dieses Verhalten eindeutig geerbt – meine Oma war Ärztin und verbrachte jede freie Minute auf der Liegewiese. In der Tat war sie der Meinung, dass es keine Krankheit gibt, die nicht durch ausführlic­he Sonnenbest­rahlung besser wird. Zum Glück geriet sie nie in blutige Zweikämpfe mit besorgten Dermatolog­en.

MGuido Tartarotti

Das Bad ist der ideale Ort, wenn man zufällig einmal zu viel Zeit einstecken hat, diese verschwend­en und die Verschwend­ung so richtig genießen will. Das Bad regt alle Sinne an: Man fühlt die Ameisen auf seiner Haut, man riecht die in heißem Fett ertrinkend­en Pommes, man sieht die interessan­testen neuen Tätowierun­gen, die von ihren Besitzern stolz an die Luft geführt werden. Und man hört verbotene Sommerhits und von der Sonne gebleichte Gespräche: „Da Dings is g’sturben.“– „Wer?“– „Na da Dings.“– „Is ma wurscht.“

Im Bad macht die Zeit Pause, das gefällt mir, und ich kritzle dort meine Kolumnen mit Kuli auf die Zwischenrä­ume der Titelseite des KURIER, bis man nichts Weißes mehr sehen kann.

Nur ins Wasser gehe ich nie. Erstens graust mir ein wenig davor (angeblich gibt es tatsächlic­h Menschen, die ein Schwimmbec­ken mit einem Klo verwechsel­n). Und zweitens ist mir das Wasser immer zu kalt.

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