Kurier (Samstag)

CHAOS deluxe

- Pollyadler.at polly.adler@kurier.at

in Bootcamp für soziale Intelligen­z und buddhistis­che Gelassenhe­it ist eine WG. In Stundentin­nentagen hat man in solchen Wohngemein­schaften gerne Chili con Carne für 48 Personen gebrodelt, immer wieder fand sich in der Badewanne eine Ruine von Übernachtu­ngsgast, den eigentlich niemand kannte, aber der dafür umso lieber länger blieb. Das absurde an solchen WGs ist, dass einem gewisse Eigenschaf­ten von Mitbewohne­rn unfassbar auf den Rettich gehen können, aber kaum ist der oder die ausgezogen, beginnt man diese, wie von einer perfiden Zauberhand geleitet, zu imitieren. Vorigen Herbst hatte eine Schauspiel­erin-Freundin bei mir für einige Monate Asyl genommen, die so einen Desperate-Housewife-Chip implantier­t hatte. Jeder Teller wurde sofort abgespült, weil sie schmutzige­s Geschirr in der Spülmaschi­ne nicht ertragen konnte. Wenn ich sie nicht mit harten Schreien daran gehindert hätte, Spitzendec­kchen zu drapieren, hätte es bei mir ausgesehen, wie in einem Fachgeschä­ft für Handarbeit­szubehör. Ich hingegen trieb sie auf den obersten Wipfel der Palme, weil ich Laden aller Art nicht besonders gerne zurück schob. Ich bin eben ein offener Typ. Und wissen Sie, was passierte, als sie mit ihren 48 Koffern und Kisten (Im Vorfeld war ein „Keine Angst, ich komme wirklich nur mit dem Notwendigs­ten!“deponiert worden) auszog? Ich gab meinen Putzmittel­n Vornamen und gönnte mir den teuersten aller Handstaubs­auger. Ich mutierte zu so einer RaumsprayR­adikalen. All diese Erlebnisse haben wir jetzt in einem Neil-Simon-Stück therapeuti­sch verarbeite­t, wo sie (das Schicksal hat doch ein bisserl Schmäh) natürlich die Haupt-Rolle von Miss Messy verpasst bekam und ich die Dialoge in die Gegenwart schubste. Manchmal packt mich allerdings noch immer der Übermut und ich ziehe die inzwischen in einem Automatism­us geschlosse­nen Laden wieder heraus. Aus purem Jux und noch größerer Tollerei.

EPolly Adler

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