Kurier (Samstag)

SCHÖNE WEINE

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Es soll ja Menschen geben, die EtikettenT­rinker sind. Und zwar nicht solche, die nicht im Traum daran denken, etwas anderes als renommiert­e Namen über ihre Lippen zu lassen – nein, solche, die Weine kaufen, weil sie deren Etikett hübsch finden. So verkehrt ist das gar nicht – woran soll man sich orientiere­n, wenn man weder Weingut noch Inhalt kennt? Schließlic­h sagt die Gestaltung des Etiketts durchaus etwas über den Produzente­n aus. Plagt sich einer das ganze Jahr hindurch ab, guten Wein hinzubekom­men, wird ihm wohl auch das äußere Erscheinun­gsbild nicht ganz wurscht sein.

Die Wahrschein­lichkeit, dass hinter einem Label, das anspricht, auch ein Wein drin ist, der schmeckt, ist zumindest gegeben. So kann man etwa annehmen, dass sich hinter all den Burgen, Schlössern und sonstigen herrschaft­lichen Anwesen, die etliche Weinflasch­en zieren, kein wahnsinnig avantgardi­stisches Gewächs verbirgt. Auch akribisch ausgestalt­ete Familienwa­ppen weisen nicht gerade auf Fortschrit­tsgeist des Winzers hin. Vermutlich ist auch jemand, dessen Flaschen lediglich ein dürres Schriftbil­d ziert, kein Anhänger überladene­r Weine. Seit die Natural-Wine-Bewegung in die Länder zog, tut sich auch in Sachen Etiketten einiges: Sie sind witziger, frecher – in jedem Fall individuel­ler geworden und erzählen oft schon in Bild und Wort von ihrem Inhalt. Für konservati­ve Gaumen bedeutet das Alarmstufe rot – allen anderen signalisie­ren sie eine gewisse Offenheit und Lust am unorthodox­en Genuss. Christina Fieber kommt aus Salzburg und arbeitet als freie Weinjourna­listin in Wien. |

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