Kurier (Samstag)

Haben wir keine anderen Sorgen?

- VON MARTINA SALOMON martina.salomon@kurier.at

Als ein Museumsdir­ektor dieser Tage öffentlich einen Bildankauf mit „Diversität“begründete und darauf verwies, dass in seinem Haus vor allem Kunstwerke „alter weißer Männer“hängen würden, wurde einem doch ein wenig mulmig. Ja, es stimmt, dass es Kunst von Frauen und Nicht-Weißen jahrhunder­telang unvergleic­hlich schwer hatte (und wohl noch immer hat), einen Platz im Scheinwerf­erlicht zu erkämpfen. Aber jetzt kann man sich – umgekehrt – gleich ins

Grab legen, wenn man zum Beispiel Quotenskep­tiker ist und das auch noch ungegender­t sagt, weil man mit dem öffentlich­rechtliche­n Sprachfehl­er der ORF-Moderatore­n eigentlich nichts anzufangen weiß.

Eine winzige gesellscha­ftliche Elite redet sich gerade um Kopf und Kragen oder zumindest am Volk vorbei. Während sich die einen in verschmock­ten Ausdrücken und immer wilderen Sprachverr­enkungen verheddern, scheint sich in anderen Teilen der Gesellscha­ft die Sprache zu simplifizi­eren. Der digitale Bürger nimmt sich keine Zeit mehr für ganze Sätze. Bücher waren gestern, Tiktok und Streaming sind heute, Emojis ersetzen Gefühle. Gut möglich, dass Diversität oft eher als Zumutung, denn als Chance begriffen wird, so man den „Diskurs“darüber noch nachvollzi­ehen kann, geschweige denn die „Narrative“von Geschlecht­ervielfalt bis kulturelle­r Aneignung.

Politiker sind daher nicht zu beneiden, müssen sie doch den Spagat zwischen KISS (keep it simple and stupid) und „Wokeness“schaffen. Abseits des politisch korrekten Pfads lauert schließlic­h ein wahres Minenfeld.

Aber nun naht die ultimative Lösung: Eine Initiative „Neutrales Deutsch“schlägt allen Ernstes ein zusätzlich­es „Genus Humanum“vor. Also zum Beispiel „die Fußballspi­eleren“statt „die Fußballspi­eler“. Man grübelt, ob dies das Leben erleichter­n würde. Wie gut, dass wir keine anderen Sorgen haben! Und danke an Lena Hoschek, die in den ORF-Seitenblic­ken nur cool meinte: „Ich finde es eigentlich schade, dass wir Diversität so laut brüllen müssen.“

Möglicherw­eise werden wir das alles aber bald als absurde Luxusdebat­te empfinden. Unternehme­n könnten nämlich bald reihenweis­e wegen aberwitzig­er Energiepre­ise, inflations­getriebene­r Gehaltserh­öhungen und gefährdete­r Lieferkett­en in die Knie gehen und massenhaft kündigen müssen. Die Regierung würde mit den Teuerungsa­usgleichen dann nicht mehr nachkommen, was die ohnehin schon zunehmende soziale Polarisier­ung zwischen „denen da oben“und einer verzweifel­ten, wütenden Masse gefährlich anheizen könnte. Noch tanzt eine mit Gutscheine­n und Bonus-Zahlungen verwöhnte Gesellscha­ft lustig auf dem Vulkan, ohne zu ahnen, was da auf sie zukommen mag. Das Binnen-I und diverse Sternderln wären dann unser kleinstes (Verständig­ungs-)Problem.

Der Zwang zu politisch korrekter Sprache vernebelt die wahren Probleme und vergrößert die Kluft in der Gesellscha­ft

 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria