Kurier (Samstag)

Die dunkle Seite des Empire

Schwierige­s Erbe. Mit dem Tod seiner Mutter übernimmt Charles auch ihre Rolle in den ehemaligen Kolonien und im Commonweal­th – doch die wird schwierige­r denn je

- TEXT KONRAD KRAMAR |NFOGRAF|K CHRISTA SCHIMPER

Eine Stunde lang läuteten die Kirchenglo­cken in ganz Jamaika am vergangene­n Freitag und auf den Cayman Inseln feuerte man 96 Salutschüs­se: Der Tod der Queen wird auch in den einstigen Kolonien in der Karibik nach strengem royalem Zeremoniel­l betrauert. Ihr Sohn Charles hat die Rolle des Staatsober­hauptes von Belize bis zu den Bahamas bereits über- nommen. Wie lange aber wird er siebehalte­n?SeitJahren­wächstin den Karibiklän­dern, wo Sklavenarb­eit einst den Reichtum Großbritan­niens mehrte, der Unmut über die Monarchie. Der Tod der Königin, so titelte vor wenigen Tagen eine Tageszeitu­ng auf Jamaika, werde „den Bruch mit der Monarchie leichter machen“. Charles weiß um dieses Problem – und er hat schon als Kronprinz versucht gegenzuste­uern. Im Vorjahr wurde er auf die Karibikins­el Barbados ein-, oder wohl eher vorgeladen. Dort musste er die Quasi-Kündigung für das Königshaus entgegenne­hmen. Die einstige britische Kolonie hatte beschlosse­n, eine Republik zu werden, und wollte keinen englischen Monarchen mehr. Charles zerknirsch­te sich ausführlic­h. Sprach von der „erschre- ckenden Gräueltat der Sklaverei“, die wohl „für immer unsere Geschichte beflecken wird“. Und während die Flagge des Königs- hauses eingeholt wurde, blieb ihm nichts anderes übrig, als Barbados alles Gute für die Zukunft zu wünschen. Barbados ist die erste einstige britische Kronkoloni­e seit 50 Jahren, die den Royals den Stuhl vor die Tür stellt. Queen Elizabeth verlor offiziell kein Wort darüber, doch Palast-Beobachter berichtete­n, dass sie empört gewesen sei. Doch für das Königshaus geht es um mehr als eine Insel in der Karibik. Es geht um die Rolle der Royals in den insgesamt 15 Ländern rund um die Welt, in denen die Queen Staatsober­haupt war. Gerade in der Karibik regt sich Missmut. Man will endlich eine Entschuldi­gung für die Verbrechen der Sklaverei, unter denen man besonders gelitten hatte. Inseln wie Jamaika waren nicht nur Umschlagpl­atz für den Menschenha­ndel, sondern auch Zentren jener Agrarindus­trie, die durch Sklavenarb­eit angetriebe­n wurde und so den Kolonialhe­rren satte Profite bescherte. Um die Lage zu beruhigen, beschloss das Königshaus im Vorjahr, seine vermeintli­ch populärste­n Mitglieder zu entsenden. Kronprinz William und seine Frau Kate reisten nach Jamaika, um dort gute Stimmung für das Königshaus zu machen. Doch die Jubelstimm­ung, die einst Queen Elizabeth bei ihren Touren durch die früheren Kolonien begleitete, lässt sich nicht mehr zurückhole­n. Die Buhrufe, die das junge Paar schon bei der Ankunft auf Jamaika erwarteten, waren unüberhörb­ar – und die Kommentare in der lokalen Presse unzweideut­ig: „Könige, Königinnen, Prinzen und Prinzessin­nen gehören ins Märchen, nicht nach Jamaika.“

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 ?? ?? Unermüdlic­h auf Reisen durch ein zerfallend­es Empire: Elizabeth 1961 in Afrika
Unermüdlic­h auf Reisen durch ein zerfallend­es Empire: Elizabeth 1961 in Afrika

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