Gräber bei Isjum: Folterspuren an Leichen
440 Gräber haben Soldaten bei der befreiten Stadt Isjum gefunden, der Vermisstenbeauftragte der Regierung in Kiew sieht keine Massengräber. Präsident Selenskij wirft den Russen Folter von Zivilisten vor
Bei den Leichenfunden in der befreiten ostukrainischen Kleinstadt Isjum handelt es sich Aussagen des ukrainischen Vermisstenbeauftragten zufolge nicht um ein Massengrab, sondern um viele Einzelgräber. „Ich möchte das nicht Butscha nennen – hier wurden die Menschen, sagen wir mal, zivilisierter beigesetzt“, sagte Oleh Kotenko dem TV-Sender Nastojaschtschee Wremja.
Der ukrainische Präsident Selenskij sprach nach ersten Exhumierungen allerdings von Folterspuren an Leichen, ohne weitere Details zu nennen. Die ukrainische Polizei hat eigenen Angaben zufolge mehrere Folterstätten gefunden. In der Stadt Balaklija seien während der russischen Besatzung bis zu 40 Menschen in der örtlichen Polizeistation festgehalten, erniedrigt und gefoltert worden, sagte Polizeichef Ihor Klymenko: „Es gab Folter, wir haben an den Händen der Leute Spuren von nackten Elektrodrähten gesehen, durch die bei Verhören Strom geschickt wurde.“Es seien auch Hämmer und Schlingen gefunden worden.
Das lässt Erinnerungen an Butscha wach werden. Ende März waren in dem Kiewer Vorort nach dem Abzug russischer Truppen Hunderte getötete Zivilisten teils mit Folterspuren gefunden worden. Butscha gilt seitdem als Symbol für schwerste Kriegsverbrechen im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine.
Viele Menschen in Isjum seien wohl gestorben, als Russlands Truppen die Stadt im Zuge der Eroberung Ende März heftig beschossen hätten, sagte Kotenko. „Die Mehrzahl starb unter Beschuss, als die Russen die Stadt mit Artillerie beschossen.“Die Bestattungsdienste hätten oft nicht gewusst, wer die vielen toten Menschen seien. Deshalb stünden auf einigen Kreuzen nur Nummern. Derzeit bemühten sich die Behörden, ein Register mit den Fundorten der Leichen zu finden.
440 Gräber
Am Donnerstagabend war der Fund des Friedhofs mit mehr als 440 Gräbern bekannt geworden. Darunter war dem Internetsender Hromadske zufolge auch ein Massengrab, in dem bis zu 25 getötete ukrainische Soldaten liegen. Fotos zeigen Kreuze in einem Waldstück mit Nummern.
Genauere Nachforschungen werden durch Minen erschwert. Kotenkos Ziel ist es, die Körper gefallener Soldaten rasch zu finden und an ihre Familien übergeben zu können: „Wir setzen die Arbeit fort (...), damit die Familien die Soldaten, die für die Ukraine gestorben sind, so schnell wie möglich angemessen ehren können“, sagte er.
Weitere Militärhilfen
Die US-Regierung hat der Ukraine indes weitere Militärhilfen zur Verteidigung im Krieg gegen den Angreifer Russland zugesagt. Das US-Außenministerium kündigte am Donnerstag Unterstützung für Kiew im Umfang von 600 Millionen US-Dollar (rund 600 Millionen Euro) an. Die USA stellen der Ukraine demnach zusätzliche Waffen, Munition und Ausrüstung aus Beständen des US-Verteidigungsministeriums zur Verfügung.