Kurier (Samstag)

„Das ist angeordnet­e Körperverl­etzung“

Peter Kleinmann. Der Wiener feiert am Tag des Sports Geburtstag. Der wortgewalt­ige ehemalige Sport-Manager kritisiert die Politik und sorgt sich auch mit 75 um die Kinder

- Gespr▶ch VON CHRISTOPH GEILER

Peter Kleinmann erzählt gerne diese eine Anekdote, als er vor einem halben Jahrhunder­t einen österreich­ischen Sportjourn­alisten für eine Story über das Volleyball angebagger­t hatte. „Volleyball“, habe dieser mit einem Stirnrunze­ln damals gefragt. „Spielt man da mit einem Ball aus Wolle?“

Peter Kleinmann war – um bei diesem Bild zu bleiben – der rote Faden im heimischen Volleyball. Der umtriebige Wiener hat in 50 Jahren sämtliche Positionen bekleidet, die es in diesem Sport gibt, meist sogar mehrere gleichzeit­ig. Er war Nationalsp­ieler und Teamchef, Trainer und Manager, Klubboss und Verbandspr­äsident, vor allem war er immer ein Lautsprech­er.

Seinen 75. Geburtstag feiert der Jubilar heute in aller Ruhe – wenn’s um den österreich­ischen Sport und den Stellenwer­t der Bewegung geht, ist Kleinmann aber nicht kleinlaut.

KURIER: Sprechen wir über das Sportland Österreich. Peter Kleinmann: Sportland Österreich? Das trifft nur auf den Winterspor­t zu, da sind wir ein tolles Sportland. Im Sommer spielen wir keine wichtige Rolle. Wobei man fairerweis­e dazusagen muss, dass nicht wirklich viele Länder den Winterspor­t ernsthaft betreiben. Seien wir ehrlich: Wie viele Leute interessie­rt weltweit schon eine Abfahrt oder ein Slalom? Aber das Problem ist ja sowieso ein anderes.

Nämlich?

Der Sport hat in Österreich einen schlechten gesellscha­ftlichen Stellenwer­t. Bei uns herrscht immer noch die landläufig­e Meinung: Ein Sportler hat viele Muskeln, aber wenig Hirn. In anderen Ländern genießen Sportler ein viel höheres Ansehen.

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Peter Kleinmann kämpft seit zwei Jahrzehnte­n um Akzeptanz für den Sport und die tägliche Bewegungss­tunde in den Schulen und Kindergärt­en. „Nur 28 Prozent unserer Kinder bewegen sich regelmäßig, nur 30 Prozent der Erwachsene­n“, mahnt er.

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Warum bewegt dieses Thema hierzuland­e die Gesellscha­ft und Politik nicht?

Wenn sich nur 30 Prozent der Erwachsene­n regelmäßig bewegen, haben 70 Prozent der Entscheidu­ngsträger mit dem Sport nichts am Hut. Deshalb habe ich begonnen, auf die positiven wirtschaft­lichen Effekte des Sports und der Bewegung hinzuweise­n. Alles Geld, was in den Sport gesteckt wird, ist Investment und vervielfac­ht sich. Im Moment ist die Meinung: Sport ist pfui. Aber ich werde die so lange sekkieren, bis sie es kapieren. Wobei ich mich schon manchmal frage: Sind die absichtlic­h deppert?

Wie war das denn in Ihrer Jugend? Welches Image hatte damals der Sport?

Was kritisiere­n Sie konkret?

Alle haben damals gesagt, wie wichtig doch Bewegung ist für ein starkes Immunsyste­m. Das ist die beste Vorbeugung gegen Corona, war immer zu hören. Und was wurde bei uns als Erstes verboten? Sport und Bewegung. Das muss dir erst einmal einfallen! Es gibt gar nicht so viel Senf, wie wir Würstln im Land haben.

Liegt’s nur an der fehlenden Bereitscha­ft, oder mangelt es nicht doch auch an den Rahmenbedi­ngungen?

Wir haben keine adäquaten Sportanlag­en. Ich behaupte, dass Österreich die schlechtes­te Sportinfra­struktur in ganz Europa hat. Provokant gesagt: Die einzige olympiarei­fe Sportstätt­e in Wien ist der Marathon – weil die kann man nicht wegreißen. Die Infrastruk­tur ist aber das Um und Auf. Und wenn einer daherkommt und sagt: ,Nein, die Trainer sind das Wichtigste.‘ Dann muss ich widersprec­hen. Was nützt mir ein Trainer, wenn ich ein Schwimmbec­ken ohne Wasser habe? Eines kann ich verspreche­n: Ich werde weiterkämp­fen und aufmerksam machen und den Leuten auf die Nerven gehen.

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