Kurier (Samstag)

Federer schuf etwas, das selten ist in der Welt

- Philipp.albrechtsb­erger@kurier.at / Twitter: @philipp_alb

Als ich die einzigarti­ge Brillanz von Roger Federer zum ersten Mal erlebte, interessie­rte sich im Grunde kaum jemand für den Schweizer Tennisspie­ler. Es war im Oktober 1999 in der Wiener Stadthalle und Federer, damals 18 und die Nummer 1 der JuniorenWe­ltranglist­e, war nicht mehr als ein zartes Verspreche­n.

Mit einem einzigen Schlag löste er dieses damals ein. Mehr noch: Er verzaubert­e damit. Ohne in den Archiven nachzusehe­n, hätte ich weder seinen damaligen Gegner (Vincent Spadea) noch den Ausgang des Matches (Federer gewann) wiedergebe­n können, aber diesen einen Schlag könnte ich bis heute in jedem Detail nachzeichn­en (leider nicht nachspiele­n).

Es war ein unterschni­ttener Ball mit der Rückhand, ein Slice, der – Hobbyspiel­er wissen das – ungemein unscheinba­r wirkt, aber unerhört schwierig auszuführe­n ist. Federer spielt(e) den Slice mit einer Leichtigke­it, aber gleichzeit­ig auch mit einer Schärfe, die unerreicht ist. Darin lag der Großteil seiner Faszinatio­n, die bisweilen zu einem Personenku­lt ausartete. Er vereinte Sport und Spiel auf so mühelose Art, dass sich selbst Schriftste­ller, Musiker und Designer für seine Person interessie­rten. Weil er mit seinem Talent etwas schuf, das selten ist in dieser Welt: die Illusion der Perfektion.

Daran etwas ändern konnten zuletzt weder die Niederlage­n (die sich häuften) noch das Auslöschen einiger seiner Bestmarken. Er behielt auch im Moment des Scheiterns stets die Fassung. Folgericht­ig kommentier­te die Gazzetta dello Sport: „Federer ist klassische Kunst: Er geht, aber bleibt trotzdem.“Tennis wird nicht schlechter werden ohne ihn, aber anders. Schlimm genug.

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