„Verleger an ORF.at beteiligen“Medienpolitik.
Ex-ORF-General Alexander Wrabetz plädiert für eine verstärkte Zusammenarbeit von privaten Medien mit dem Öffentlich-Rechtlichen. Er schlägt seinem Ex-Unternehmen Konzessionen vor
Alexander Wrabetz war längstdienender General des ORF. 2021 schaffte er die Wiederwahl an der Spitze des ORF nicht, ist nun selbstständig – und wird als möglicher Rapid-Präsident gehandelt. Ein Gespräch über Rundfunk, Bildung und Kultur.
KURIER: Der ORF steckt in einer schwierigen wirtschaftlichen Lage. Haben Sie Empfehlungen?
Alexander Wrabetz: Dass ich mich weiterhin mit dem ORF verbunden fühle, ist nach gut 25 Jahren im Unternehmen selbstverständlich. Dass ich über die Zeitung Tipps gebe an die Nachfolge-Geschäftsführung, halte ich aber für entbehrlich.
Auch bei der Digitalnovelle, die der ORF für seine Weiterentwicklung braucht, spießt es sich. ORF, die Privatsender und die Zeitungen kommen mit der Medienpolitik auf keinen grünen Zweig. Das kennen Sie auch schon aus ihrer Zeit als ORF-Generaldirektor.
Ich finde es schade, dass seit einem Jahr nichts vorangegangen ist. Gleichzeitig ist die Lage für die Medien dramatisch: Inflation und Teuerung betreffen gleichermaßen alle. Dass der ORF bei seinen Zukunftsprojekten weiterhin keine klaren Rahmenbedingungen hat, verschärft die Situation.
Was sind Ihre Ansätze, jetzt, wo Sie nicht mehr auf eine ORF-Funktion Rücksicht nehmen müssen?
Neben der ORF-Novelle wird auch über eine Reform der Medienförderung debattiert, bei der aber offenbar auch noch Unklarheit besteht. Meines Erachtens muss beides gemeinsam gedacht werden, will man den Medienstandort weiterbringen. Die Herausforderung ist, Werbegeld, das durch die digitale
Entwicklung zu großen Plattformen abfließt, wieder in den Kreislauf der heimischen Medien zurückführen. Deshalb gehört für mich neben dem Medienministerium auch der Finanzminister an den Verhandlungstisch.
Warum der Finanzminister?
Die Digitalsteuer, die richtigerweise eingeführt wurde und die die am stärksten wachsende Steuer ist, beläuft sich heuer bereits auf 80 bis 100 Millionen. Dieses Geld sollte komplett für Medien und Kulturproduktionszwecke zweckgewidmet werden. Das ist über Umwege zum Teil bereits der Fall, aber noch nicht in einem ausreichenden Ausmaß. Dass ein größerer Spielraum für den ORF im Online- und Social-Media-Bereich dazu führt, dass die Zeitungen, wie sie befürchten, noch stärker unter Druck geraten, halte ich nicht für zutreffend. Sehr wohl richtig ist aber, dass es für die Printmedien mehr Mittel braucht für Transformation im Zuge der Digitalisierung der Medien.
Eine Ihrer letzten Taten als ORF-Chef war die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof betreffend Streaminglücke bei den GIS-Gebühren. Dem wurde stattgegeben und jetzt weiß keiner, wie damit umzugehen ist.
Ich glaube, niemand denkt daran, dass, wenn jemand mit dem Handy herumspaziert, das Anlass für eine GIS-Kontrolle sein soll. Es geht um Geräte, die im Haushalt sind, eine bestimmte Bildschirm-Größe und einen Breitbandanschluss haben. Ein solche Smart-TV-Abgabe bringt jetzt keine Millionen, aber es wird das Abschmelzen der GIS-Haushalte wieder stabilisieren und es verhindert Rechtsunsicherheiten. Wenn ich höre, man brauche eine große Haushaltsabgabe, eine gänzlich neue Finanzierung und überhaupt alles muss neu sein, dann wird mir etwas bang.
Man hat den Eindruck, in ORF-Kreisen wird die Haushaltsabgabe als Lösung aller Probleme gesehen.
Da sehe ich nur eine geringe Umsetzungschance bis Ende 2023, in der zudem die Gefahr liegt, dass bei den diskutierten Modellen der ORF letztlich weniger Einnahmen lukrieren kann als bisher. Außerdem hätte eine Haushaltsabgabe ein EU-Beihilfeverfahren zur Folge, was bekanntlich auch dauert.
ORF.at darf lediglich Überblicksberichterstattung bringen. Tatsächlich werden dort u. a. elendslange FeuilletonGeschichten gespielt und auch noch von ORF-Kollegen via Social Media beworben.
Über Änderungen, Weiterentwicklungen etc. bei ORF.at, darüber kann und soll man reden, aber nicht über die Abschaffung. Was stimmt ist, dass ORF.at-Geschichten
oft lang sind, dass man diskutieren kann, ob das Überblicksberichterstattung ist, wie sie 2011 im ORF-Gesetz
von der EU-Kommission zugestanden wurde. Da sehe ich aber auch eine Chance, die gesetzlich ermöglicht werden sollte: ORF.at verlinkt in seiner Überblicksberichterstattung für die vertiefenden Geschichten auf heimische Medienportale. Das eröffnet Verlegern Möglichkeiten. Also, es gibt schon Ansätze für Lövon sungen, die beiden Seiten weiterhelfen, mit dem Tenor: Öffnen statt schließen von ORF.at. Da kann man Modelle durchdenken, die sogar bis dahin reichen, die Verleger mit ins Boot zu holen, eventuell sogar mit einer VerlegerBeteiligung an ORF.at.
Gehörige Probleme gibt es auch im Kulturbereich – als Klassikfan und Kulturmensch bekommen Sie das hautnah mit. Wie schätzen Sie die Lage ein?
Für den Kulturbereich sind es extrem fordernde Zeiten. Einerseits leiden die Institutionen auch unter der Teuerung, andererseits ist auch das breite Publikum da
betroffen. Das heißt, man wird vielleicht noch Premieren besuchen, mit RepertoireVorstellungen wird es aber schwieriger, die insgesamt 30.000 Tickets in Wien täglich zu verkaufen. Dazu kommen die Pandemie-Folgen, das Publikum ist zum Teil verunsichert. Darunter leiden jetzt alle unterschiedlich.
Die großen Festspiele haben es da vergleichsweise noch leicht. Aber was muss hier in der Breite getan werden?
Es geht auch hier ums Geld. In dieser mehrfach schwierigen Situation darf man die Kultur nicht hängen lassen, sonst wird man die Qualität nicht halten können und was verloren geht, ist weg. Das heißt, es sind Kulturförderungen zu erhöhen und anzupassen an die äußeren Umstände. Da braucht es gemeinsame Anstrengungen von Bund und Ländern, das international gesehen hohe Niveau zu halten und, wo möglich, sogar ausbauen – Kulturpolitik nennt man das.
Es ist das doch auch die Frage, ob es noch in den Generationen nach uns dieses von Ihnen postulierte breite Interesse gibt?
Dafür muss man aber auch etwas tun. Man muss nur schauen, welchen Stellenwert heute Literatur und klassische Musik im Schulunterricht haben. Wichtiger scheint im Lehrplan derzeit zu sein, wie man ein Bewerbungsschreiben macht. Also das müsste man entsprechend wieder einführen. Denn wie soll man etwas vermissen, was man nie wirklich kennengelernt hat?
Diplomatisch formuliert. Deshalb die Frage: Wie sieht es aus mit einem Wechsel in die Politik? Wäre das nicht naheliegend?
Wenn man mich fragt, kann ich mich gerne im medienund kulturpolitischen Bereich einbringen, aber ich strebe keine politische Funktion an.