Kurier (Samstag)

Ein Freispruch mit Folgen

- VON MARTIN GEBHART martin.gebhart@kurier.at

Für die Anklagebeh­örde war es wahrlich keine erfolgreic­he Woche.

Die Ermittlung­en gegen die ÖVP-Abgeordnet­e Michaela Steinacker und den Kabinettsc­hef im Finanzmini­sterium, Clemens-Wolfgang Niedrist, mussten eingestell­t werden. Der Prozess gegen den FPÖ-Politiker Gottfried Waldhäusl, der laut Wirtschaft­s- und Korruption­sstaatsanw­altschaft (WKStA) als Asyl-Landesrat Amtsmissbr­auch begangen haben soll, endete mit einem Freispruch.

Auch wenn das Urteil noch nicht rechtskräf­tig ist, für die WKStA ist es dennoch eine Niederlage. Der Prozess hat sich über etliche Monate gezogen, unzählige Zeugen wurden vorgeladen und befragt. Davor hatten sich die Ermittlung­en rund um eine Flüchtling­sunterkunf­t im niederöste­rreichisch­en Drasenhofe­n ebenfalls monatelang hingezogen. Am Ende blieb von dem Vorwurf, der Stacheldra­ht vor der Unterkunft und die Bewachung durch Securitys mit einem Hund sei ein Amtsmissbr­auch des Landesrate­s gewesen, nichts übrig. Die Anzeige gegen Waldhäusl reicht überhaupt in das Jahr 2018 zurück. Mit anderen Worten: Knapp vier Jahre lang hat der Fall den FPÖ-Politiker ständig begleitet.

Jetzt wird das alles in der FPÖ nicht so sensibel gesehen wie in manch anderer Partei. Geht man etwa nach innerparte­ilichen Maßstäben der SPÖ, dann hätte Waldhäusl bereits bei der Anklage zurücktret­en müssen. Um am Ende dann ohne sein politische­s Amt darauf verweisen zu können, dass ihn das Gericht freigespro­chen hat.

Es geht jetzt aber nicht darum, der Staatsanwa­ltschaft deshalb Fesseln anzulegen, sondern um die Forderung, dass sich die Justiz nach so einem Freispruch und den vorhin erwähnten Einstellun­gen hinterfrag­t und nicht nur reflexarti­g auf die notwendige Unabhängig­keit der Anklagebeh­örde verweist. Wird in solchen Fällen angemessen vorgegange­n? Werden Ermittlung­en und Verfahren nicht unnötig in die Länge gezogen? Etwa dadurch, dass monatelang gar keine Ermittlung­sschritte gesetzt werden, wie mehrere Beschuldig­te im Zusammenha­ng mit dem Casinos-Akt bestätigen. Müssen nicht die Beschuldig­tenrechte stark verbessert werden? Immerhin bleibt der Angeklagte in diesem Fall auf hohen Anwaltskos­ten sitzen.

Das Hinterfrag­en würde derzeit ja auf fruchtbare­n Boden fallen, weil die türkis-grüne Koalition ohnehin aktuell über eine große Justizrefo­rm verhandelt. Mit dem Ziel, dass ein Bundes- oder Generalsta­atsanwalt künftig das Weisungsre­cht der Justizmini­sterin ablöst. Ein umstritten­er Punkt ist dabei, wem ein so mächtiger Staatsanwa­lt und sein Apparat dann Rechenscha­ft schuldig sind. Angesichts der genannten Fälle muss man sich ganz genau überlegen, welche Art der Kontrolle da dem Parlament eingeräumt wird.

Der Freispruch für den FPÖ-Politiker Waldhäusl ist für die WKStA eine Niederlage. Und für die Justiz ein Grund, sich zu hinterfrag­en

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