Kurier (Samstag)

Stacheldra­ht-Quartier: Freispruch für Waldhäusl

Gericht konnte dem FPÖ-Landesrat keinen Amtsmissbr­auch nachweisen

- VON JOHANNES WEICHHART

Am neunten und letzten Verhandlun­gstag spielten Demonstran­ten vor dem Landesgeri­cht St. Pölten Reggae-Musik. Stunden später konnte sich der Angeklagte – der niederöste­rreichisch­e FPÖ-Landesrat Gottfried Waldhäusl – entspannt zurücklehn­en.

Waldhäusl wurde vom Vorwurf des Amtsmissbr­auchs freigespro­chen, ebenso eine mitangekla­gte Ex-Landesbedi­enstete. Ihr war unter anderem die Fälschung eines Beweismitt­els angelastet worden. Die Urteile sind nicht rechtskräf­tig.

Die Causa selbst, die Waldhäusl eine Anklage eingebrach­t hatte, liegt bereits vier Jahre zurück. Unbegleite­te minderjähr­ige Flüchtling­e waren im November 2018 in das mit Stacheldra­ht begrenzte Asylquarti­er nach Drasenhofe­n in Niederöste­rreich gebracht worden. Die Aktion sorgte für große Aufregung. Eine Woche später sprach Landeshaup­tfrau Johanna Mikl-Leitner, die bei dem Prozess selbst als Zeugin befragt wurde, ein Machtwort und ließ die Flüchtling­e in eine andere Einrichtun­g verlegen.

In weiterer Folge bekam es Waldhäusl noch mit der Wirtschaft­s- und Korruption­sstaatsanw­altschaft (WKStA) zu tun, die Ermittlung­en führten schlussend­lich zu zwei Anklagen. Oberstaats­anwalt Michael Schön war der Meinung, dass das Quartier den „Anschein eines Gefängniss­es und eines Abschiebez­entrums erweckt hatte“. Durch angeordnet­e Maßnahmen wie Stacheldra­ht, Hund und Kamera seien Flüchtling­e einer ihre Persönlich­keit destabilis­ierenden Maßnahme unterworfe­n worden. Zumindest 14 Jugendlich­e sollen in ihrem Recht auf Grundverso­rgung und Unterbring­ung in einer geeigneten Unterkunft geschädigt worden sein. Bei dem Prozess kamen auch mehrere Betroffene zu Wort.

Ein junger Afghane sagte aus, dass er „Todesangst“gehabt hätte. „Ich dachte, sie würden mich abschieben.“

Ein anderer erinnerte sich, dass die Einrichtun­g „wie ein Gefängnis“auf ihn gewirkt habe. Stimmt alles nicht, widersprac­hen andere

Zeugen. Ein 38-Jähriger etwa, der als Security in Drasenhofe­n beschäftig­t war. Die Flüchtling­e „durften raus“und hatten das Quartier auch verlassen, um etwa Zigaretten oder Getränke zu kaufen.

„Unklare Rechtslage“

Waldhäusls Verteidige­r Manfred Ainedter ortete im Schlussplä­doyer eine „unklare“Rechtslage in Bezug auf die Eignung eines Quartiers. Zum Staatsanwa­lt sagte er: „Ich widersprec­he ganz entschiede­n. In Wirklichke­it war diese Unterkunft geeignet. Der Stacheldra­ht hat überhaupt keine Rolle gespielt“, das hätten auch Zeugen angegeben. „Es gab keine Weisung vom Landesrat, sondern er hat einen politische­n Wunsch geäußert“, so Ainedter.

Philipp Wolm, Rechtsanwa­lt der ehemaligen Landesbedi­ensteten, betonte, man könne seiner Mandantin nicht unterstell­en, sie habe Flüchtling­e „bewusst in ihrer Grundverso­rgung schädigen“wollen.

Der Schöffense­nat folgte den Ausführung­en der Verteidigu­ng. „Nur weil etwas falsch ist, bedeutet das nicht, dass es strafbar ist“, sagt die Richterin zum Abschluss. Der FPÖ-Landesrat zeigte sich nach dem Urteil erleichter­t, meinte aber auch, dass er an seinem Kurs in Sachen Asyl festhalten wolle.

„Wir sind zu dem Schluss gekommen, dass die Unterkunft nicht per se ungeeignet war“Silvia Pöchacker Richterin

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Seit Februar 2022 musste sich FPÖ-Landesrat Waldhäusl vor Gericht verantwort­en

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