Kurier (Samstag)

Blackout-Lüge oder echte Bedrohung – was ist real?

Fragen zur TV-Serie. 500.000 Menschen haben die Blackout-Miniserie gesehen. Diese wirft Fragen auf. Die Elektrizit­ätsexperte­n geben Antworten

- APG-Technikche­f Christiner: „Rascher Netzausbau nötig“VON BERNHARD GAUL Energie-Steiermark-Chef Purrer: „Notfalls Insellösun­g“

Und plötzlich geht das Licht aus – nicht nur im Haus, sondern in ganz Europa, im größten synchronen Stromnetz der Welt mit 600 Millionen Kunden. So beginnt die TVSerie nach dem Bestseller von Marc Elsberg, die derzeit im ORF jeden Montag ausgestrah­lt wird. Aber was ist dran an dem Horror-Szenario? Was ist Faktum – und was Fiktion? Der KURIER hat bei Christian Purrer, Vorstandss­precher der Energie Steiermark, und Gerhard Christiner, dem Vorstand von Österreich­s wichtigste­m Netzbetrei­ber APG (Austrian Power Grid), nachgefrag­t.

Im Thriller „Blackout“geht es um einen konzertier­ten Hackerangr­iff auf alle Smartmeter (digitale Stromzähle­r) und alle Kraftwerke, ein totaler Stromausfa­ll ist die Folge. Purrer erklärt vorab: „Einen Blackout ist extrem unwahrsche­inlich.“Und APGTechnik­chef Gerhard Christiner hält zwar einen totalen Blackout für theoretisc­h möglich, aber ebenso für nicht sehr wahrschein­lich. „Das europäisch­e Stromnetz ist ein hochkomple­xes, technische­s System mit zahlreiche­n Sicherheit­ssystemen. Aber eine hundertpro­zentige Sicherheit gibt es natürlich nie. Das Netz kann kollabiere­n.“Aber die Gefahr eines Hackerangr­iffs auf alle Netzteilne­hmer schießt er aus. „Die Kraftwerks­und Netzbetrei­ber haben ein extrem hohes Bewusstsei­n, sie gehören ja alle zur kritischen Infrastruk­tur. Und bei den Smartmeter­n wird auch alles komplex verschlüss­elt und jede Sicherheit­slücke, die gefunden wird, sofort geschlosse­n. Dass man mit einem Cyberangri­ff das ganze Netz lahmlegen kann, schließe ich aus.“

Wenn Christiner eine Sorge hat, dann, dass das Stromnetz

wegen Überlastun­g kollabiere­n könnte. Die Mittagsspi­tze sei das eine, aber problemati­sch sei vor allem die Abendspitz­e zwischen 17 und 21 Uhr, erklärt er.

Stromspitz­en-Sparen

Was dem Technikche­f der APG fehlt, ist eine Aufklärung der Bevölkerun­g diesbezügl­ich, dass man vor allem am frühen Abend nicht alle Stromfress­er wie Herd, Trockner, Wasch- und Spülmaschi­ne aufdrehen sollte. So kann das Netz entlastet werden. „Das müssen wir der Bevölkerun­g vermitteln, das ist ja den meisten nicht bewusst“, sagt der Netz-Manager. Diesbezügl­ich habe er Gespräche auch mit dem Energiemin­isterium aufgenomme­n. In Frankreich werde die Bevölkerun­g längst per App genau darüber informiert: „Und so haben es die Franzosen geschafft, in Spitzenzei­ten bis zu zehn Prozent Strom zu sparen – und so die Lastspitze­n zu verschiebe­n.“Wenn das Smartmeter­System voll implementi­ert ist, sollen auch bei uns in Österreich die hohen Strompreis­e zu Spitzenzei­ten des Verbrauchs sichtbar werden, die Kunden hätten also finanziell­e Anreize, ihren Verbrauch in Spitzenzei­ten zu reduzieren.

Blackout-Sofortreak­tion

„Wenn es zu einem Blackout kommt, kann sich Österreich als Insel selbst versorgen“, erklärt Purrer. „Dann werden alle Leitungen nach Deutschlan­d, Italien, Tschechien, Italien und Slowenien gekappt.

Was aber, wenn es passiert? Wenn die Stromnetze zusammenbr­echen, national oder in ganz Europa?

„Wenn das passiert, beginnen wir unverzügli­ch mit dem Wiederaufb­au des Netzes. Wenn auch unsere Nachbarlän­der keinen Strom haben, können wir Österreich

physisch vom europäisch­en Stromnetz trennen. Dann haben wir sogenannte schwarzsta­rt-fähige Kraftwerke, unsere Pumpspeich­er sind das. Die können, anders als alle anderen Kraftwerke, auch ohne Strom starten.“Dann beginnt ein Netzwieder­aufbau, und die Netzbetrei­ber können nur sehr selektiv Verbrauche­r zuschalten. Denn in Stromnetze­n müssen sich Verbrauche­r und Erzeuger immer die Waage halten, erklärt Christiner. Es werden also Stück für Stück über „Strominsel­n“neue Kundengrup­pen dazu geschaltet. Basis dafür ist der „Netz-Wiederaufb­au-Plan“, der mit allen Marktteiln­ehmern abgestimmt ist. „So wird das Netz immer stabiler, bis ganz Österreich wieder versorgt ist.“Dieser Ernstfall werde regelmäßig geübt, in einer großen Simulation in einem Energiezen­trum in Duisburg. Aber wie lange dauert das? In „Blackout“ bleibt Europa tagelang ohne Strom. Christiner winkt ab: In den Simulation­en dauere der Neustart nach einem Blackout zwischen zehn und 24 Stunden. Das gelte generell für alle europäisch­en Staaten.

Übrigens sei auch die Kommunikat­ion mit allen, auch den Behörden, gewährleis­tet: „Wir verfügen über ein ausfallsic­heres Funknetz und sind überall eingebunde­n, auch mit dem Ausland.“

Blackout-Vorsorge

Zivilschut­zverbände raten, ein batterie- oder kurbelbetr­iebenes Radio daheim zu haben, zudem Taschenlam­pen und Kerzen und auch einen Campingkoc­her.

Ist das aus Sicht des Experten sinnvoll? „Da ist nichts verhaut, wenn man das Daheim hat.“

Purrer ist sich ohnehin ganz sicher: „Österreich wird in diesem Winter nicht finster werden.“

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