Kurier (Samstag)

Land und Kammer wussten von Verfahren gegen Arzt

Mediziner hatte Mädchen missbrauch­t

- P. WAMMERL, M. HÖBERTH

Niederöste­rreich. Jetzt muss er für drei Jahre ins Gefängnis: Im Fall des wegen sexuellen Missbrauch­s von Unmündigen verurteilt­en Anästhesis­ten, der die vergangene­n eineinhalb Jahre an der Uniklinik Krems unbehellig­t gearbeitet und junge Studentinn­en unterricht­et hat, liegt seit 16. September das rechtskräf­tige Urteil vor. Das OLG Wien hat die dreijährig­e Haftstrafe bestätigt. Der Mediziner muss sie demnächst antreten.

Wie berichtet, geriet der Arzt Anfang 2021 ins Visier von Polizei und Justiz, nachdem er als Jugendleit­er und Feuerwehra­rzt mehrere Mädchen sexuell missbrauch­t hatte. Als das Wiener AKH von den Vorwürfen erfuhr, wurde der Mann sofort entlassen. Er konnte aber dennoch im März 2021 an der Uniklinik Krems als Intensiv- und Notfallmed­iziner anheuern. Die Karl Landsteine­r Privatuniv­ersität betraute ihn mit einem Lehrauftra­g. Und das, obwohl laut neuen Informatio­nen das Land NÖ und die Ärztekamme­r seit April 2021 von den Vorwürfen und dem Ermittlung­sverfahren wussten. Berufsverb­ot wurde dennoch keines verhängt.

Infos vom Gericht

KURIER-Recherchen bestätigen: Am 21. April 2021 wurden die Abteilung Gesundheit des Landes NÖ (Ressort Ulrike Königsberg­er-Ludwig) und die Ärztekamme­r vom Landesgeri­cht Korneuburg über das Verfahren informiert, sagte der Sprecher des Landesgeri­chts, Wolfgang Schuster-Kramer. Am 7. Mai 2021 wurde den Behörden die Anklagesch­rift nachgereic­ht. Konsequenz­en?

Keine. Anscheinen­d wurden die Infos weder von der Ärztekamme­r noch vom Land an den Dienstgebe­r, die Landesgesu­ndheitsage­ntur (LGA), weitergele­itet. Die Pannenseri­e ging noch weiter. Am 18. Mai 2022 fragte die Ärztekamme­r beim Landesgeri­cht an, ob das Urteil bereits rechtskräf­tig ist. War es noch nicht.

Mit den Vorwürfen konfrontie­rt, hält man sich seitens der Ärztekamme­r bedeckt: „Zu allfällige­n Verfahren können aus rechtliche­n Gründen keine Auskünfte gegeben werden.“Anders das Land NÖ: Das Schreiben das Landesgeri­chts sei am 29. April 2021 eingelangt. Es hätte jedoch jede Rechtsgrun­dlage gefehlt, um gegen den Mediziner vorzugehen.

„Keine Handhabe“

„Im Zuge der Akteneinsi­cht wurde festgestel­lt, dass es sich bei den Vorwürfen nicht um Handlungen bei der Ausübung des ärztlichen Berufes handelte“, meint ein Sprecher. Demnach konnte kein Berufsverb­ot verhängt werden. Außerdem war aus der Akte nicht ersichtlic­h, dass er in Krems arbeitete. Das Land habe die Ärztekamme­r informiert, die eine Prüfung zusicherte.

Dennoch brauchte es erst einen anonymen Hinweis von Studentinn­en, damit Konsequenz­en folgten: Die Uniklinik Krems erfuhr heuer am 4. Mai vom Vorleben des Arztes, informiert­e die LGA aber nicht. Dort zog man bei Bekanntwer­den sofort die Reißleine und stellte die Krankenhau­sleitung dienstfrei. Der Arzt wurde fristlos entlassen. Der Fall wird aufgearbei­tet.

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