Kurier (Samstag)

Die Sklavin sucht sich aus, bei wem sie leben will

Persische Weltlitera­tur, erstmals aus den ältesten Handschrif­ten übersetzt

- P. PISA

stammt aus der Zeit um 1400. Seit zwei Jahrzehnte­n übersetzt sie (Musik macht sie auch), und es geht immer weiter: Der Schatz besteht aus rund 250 Märchen.

Claudia Otts vierter Band ist erschienen. Vier große Geschichte­n aus dem Fundus der persischen Weltlitera­tur, darunter jenes Märchen, das Pier Paolo Pasolini zu seinem

Film „Erotische Geschichte­n aus 1001 Nacht“(1974) inspiriert hat.

Herrin

Da wird die Sklavin Sumurrud versteiger­t, aber sie ist es, die sich den Mann aussucht, bei dem sie leben möchte. Sie will keinen alten Scheich. Sie erblickt auf dem Marktplatz einen jungen Mann, den will sie: „dessen Kuss so köstlich schmecken muss wie Wasser aus der Quelle Salsabil ...“

Sie selbst zahlt sogar dafür, weil der Auserwählt­e sich’s nicht leisten kann.

Sumurrud heißt Smaragd, im Arabischen ist sie, obwohl Sklavin, mit dem Titel „sitt“versehen, das – so erklärt Claudia Ott – bedeutet ... „Herrin“.

Erzählen kann Leben retten. So geht das Geheimnis von „Tausendund­eine Nacht“, Die kluge, belesene Schahrasad hält den grausamen Sultan Schahriyar mit spannender Erzählunge­n und „Cliffhange­rn“unter Strom, damit er nicht macht, was er mit jeder neuen Gemahlin nach der Hochzeitsn­acht macht: Er bringt sie um.

Schahrasad, eine Frau, sorgt dafür, dass er am Ende einsieht, dass er ein ganz böser Mensch war. Literatur sorgt fürs Einsehen.

Die neuen Übersetzun­gen sind ein Beitrag, damit sich das Erzählen feiert. „Tausendund­eine Nacht“lässt sich wunderbar vorlesen. Wie lange hat man so etwas nicht getan?

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