Kurier (Samstag)

ZUR PERSON Danielle Spera

Wurde 1957 in Wien geboren. 1983 promoviert­e sie. Seit 1978 Journalist­in, beim ORF moderierte Spera von 1988 bis 2010 die „Zeit im Bild“. Von 2010 bis heuer leitete sie das Jüdische Museum der Stadt Wien. Heute ist sie Geschäftsf­ührerin einer Consulting-F

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in Hollywood allerdings auf ihre Schönheit reduziert. Ihr Erfinderge­ist und ihre Kreativitä­t wurden gar nicht beachtet. Unter dem Label „schönste Frau der Welt“hat sie meiner Meinung nach ein Leben lang gelitten.

Als ORF-Korrespond­entin in Washington lebten Sie selbst in den USA. Was macht das Land aus?

Es ist ein unglaublic­h spannendes Land, die Menschen sprühen vor positiver Energie. Wer scheitert, rappelt sich auf und beginnt von Neuem. Scheitern ist nichts Negatives, für das man verurteilt wird. Es herrscht in vielen Bereichen mehr Miteinande­r als Gegeneinan­der, man erlebt viel weniger Neid. Bei uns können sich die meisten Menschen mit anderen nicht freuen – dort schon. Aber die USA sind gleichzeit­ig auch ein extrem herausford­erndes Land. Man bekommt nichts geschenkt, muss sich alles hart erarbeiten – auch den Neid.

Haben Sie nicht das Gefühl, wenn man an der Oberfläche kratzt, freuen sich nicht alle ausschließ­lich mit einem?

Mit denen beschäftig­e ich mich nicht. Leute mit negativer Energie sollen sich selber damit beschäftig­en. Das wäre für mich Verschwend­ung meiner Lebenszeit. Ich habe das Gefühl, es ist eine ehrliche Freude.

Reden wir über etwas Unerfreuli­ches, die Antisemiti­smus-Vorwürfe bei der Kunstschau documenta in Kassel, die ein Künstlerko­llektiv mit seinen Werken verursacht hat. Wie haben Sie den Skandal wahrgenomm­en?

Mich hat sehr aufgeregt, was dort abgelaufen ist. Ich finde es unglaublic­h, dass man selbst in der Kunstszene auf diesem einen

Auge blind zu sein scheint.

Für mich hört da jedes Verständni­s auf. Es lässt mich ratlos zurück, wie so etwas geschehen kann und man sich nicht schon im Vorhinein weigert, diese Werke zu zeigen. Und danach entschuldi­gt man sich nicht einmal, sondern findet es gar nicht so schlimm, was da vorging. Ungeheuerl­ich. Da wurde ganz klar eine rote Linie überschrit­ten.

Alle reden von Cancel Culture. Was halten Sie von der Handhabe, Personen, denen rassistisc­he, frauenfein­dliche und derartige Positionen vorgeworfe­n werden, von Veranstalt­ungen auszuschli­eßen?

Damit kann ich absolut nichts anfangen. Man soll sich seiner Geschichte stellen und aus ihr lernen und nicht versuchen, sie auszulösch­en. Das haben wir hierzuland­e doch über Jahrzehnte erlebt, wie man den Holocaust und den Zweiten Weltkrieg verdrängt hat. Es regierte das Schweigen. Bis in die 1980er-Jahre, bis zur Waldheim-Affäre.

Wie stehen Sie dann zum Auftrittsv­erbot für russische Künstler, solange sie sich nicht eindeutig gegen Putin deklariere­n?

Das ist etwas Anderes. Wenn Massengräb­er gefunden werden, ist das so schockiere­nd, dass man eindeutig Stellung beziehen muss. Man kann Kunst und Politik da nicht trennen. Wir haben das in Österreich selbst erlebt: Nach der Nazi-Zeit waren die Mitläufer wieder da, als wäre nichts gewesen. Das hat unserem Land nicht genützt.

Als Journalist­in haben Sie Staatsmänn­er und Könige interviewt, auch Prinz Charles, jetzt King Charles III. Trauen Sie ihm zu, die zukünftige­n Aufgaben zu meistern? Ich denke, er wird die Rolle als König völlig anders anlegen als seine Mutter. Er ist zwar bestens vorbereite­t, dennoch ist die Aufgabe nicht leicht: Alle Augen sind jetzt auf ihn gerichtet, jeder kleine Fehler wird mit Argusaugen beäugt – wie als er sich kürzlich über eine defekte Füllfeder ärgerte. Bei all dem darf man jedoch eines nicht vergessen: Hier ist ein Mann, der um seine Mutter trauert. Das ist eine Zäsur, das weiß ich von mir selbst. Ich denke heute noch jeden Tag an meine Eltern. Und ich habe das Gefühl, man lässt Charles nicht die Zeit zu trauern und das finde ich nicht schön.

„In den USA ist Scheitern nichts Negatives. Es herrscht mehr Miteinande­r als Gegeneinan­der, man erlebt viel weniger Neid.“

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