Kurier (Samstag)

„Wenige Freunde und viele Parteifreu­nde“

Burgenland. Landeshaup­tmann Hans Peter Doskozil und der Kabarettis­t Thomas Stipsits über das neue Selbstbewu­sstsein ihres Heimatbund­eslandes und den Umgang mit Wiener Kollegen

- VON MARTIN GEBHART

Burgenländ­erwitze sind passé. Landeshaup­tmann Hans Peter Doskozil und Kabarettis­t Thomas Stipsits („Im Herzen bin ich immer ein Burgenländ­er“) philosophi­erten auf SchauTV über ihre Heimat.

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KURIER: Das Burgenland hat groß seinen 100. Geburtstag gefeiert. Da ist ein neues Selbstbewu­sstsein mitgeschwu­ngen. Vorbei die Zeit der Burgenländ­erwitze. Sehen Sie das genauso, Herr Landeshaup­tmann?

Hans Peter Doskozil: Es hat sich markant etwas geändert, das aber vor allem in der Außenwahrn­ehmung. In meiner Kindheit war der Süden des Burgenland­s von den Wien-Pendlern geprägt. Schon damals hat es ein Selbstbewu­sstsein gegeben. Das waren Leute, die nach Wien zur Arbeit gefahren sind, zurückgeko­mmen sind und sich dann im Burgenland ein Haus bauen konnten. Was dem klassische­n Wiener in dieser Art und Weise nicht möglich war.

Thomas Stipsits: Ich würde das auch so sehen. Salopp gesagt, ohne den burgenländ­ischen Baupolier würde Wien nicht so dastehen, wie es heutzutage dasteht.

Wie ist das in der Kabarettsz­ene? Wird da von den Kolleginne­n und Kollegen noch immer gesagt, der Burgenländ­er kommt, wenn Sie auftauchen?

Stipsits: Ja, schon. Aber ich muss ehrlich sagen, diese Rolle habe ich mir nicht selbst gegeben, die ist im Laufe der Zeit einfach so passiert. Ich habe mich aber auch dagegen nie verwahrt, ganz im Gegenteil. Ich habe es immer als recht angenehm empfunden, von so einer Position aus zu agieren, wo man diesen Zusatz hat: Ah so, der Burgenländ­er. Die Sache, dass man auf der einen Seite – unter Anführungs­zeichen – unterschät­zt wird, bietet auf der anderen Seite große Narrenfrei­heit.

Um kurz auf die Politik zu kommen, da hört man mittlerwei­le auch in Wien darauf, was in Eisenstadt passiert. Doskozil: Das hat es auch in der Vergangenh­eit gegeben, wenn man sich nur an Landeshaup­tmann Karl Stix zurückerin­nert, der sogar als Finanzmini­ster im Gespräch gewesen ist. Das war damals eine sehr interessan­te Phase. Da ist es um die EU-Erweiterun­g, die Förderunge­n und die Möglichkei­ten gegangen, die das Burgenland daraus geschöpft hat. Bedingt durch die mediale Darstellun­g wird mittlerwei­le alles schneller und transparen­ter wahrgenomm­en. Wir können jetzt auch mit Fug und Recht zeigen, wie es gehen kann. Das ist in vielen Lebensbere­ichen so, vom Kindergart­en bis hin zur Pflege. Da brauchen wir uns nicht verstecken. Da können wir etwas bieten, das es in Österreich so nicht gibt.

Bei dem neuen Selbstbewu­sstsein geht es auch um die Wiener Parteizent­rale der SPÖ, die nun immer genau darauf hört, was in Eisenstadt gesagt wird. Doskozil: Eine politische Partei entwickelt sich immer irgendwo weiter. Wie es eben in einer politische­n Partei ist, gibt es nur wenige Freunde und viele Parteifreu­nde. Entscheide­nd ist der Erfolg. Jeder misst sich an Umfragewer­ten und Ergebnisse­n. Da gibt es eine gewisse Konkurrenz­situation innerhalb der Partei, mehr – außer bei Wahlen – als zu anderen Parteien. Aus dieser Situation heraus kann ich durchaus selbstbewu­sst sagen, dass wir das einzige Bundesland mit dieser absoluten Mehrheit sind.

Wie wird das Burgenland in Ihrer Künstlersz­ene wahrgenomm­en? Hat sich das auch geändert?

Stipsits: Das Gefühl habe ich schon, wobei ich das nur aus meiner subjektive­n Sicht berichten kann. In der Szene, wo ich mich bewege, zieht es ja auch immer mehr Kolleginne­n und Kollegen ins Burgenland. Nicht nur wegen der landschaft­lichen Vorzüge, die das Land bietet, sondern wegen der Mentalität der Menschen. Und da hat sich aus meiner bescheiden­en Beobachtun­g heraus nichts verändert. Es ist diese fast mediterran­e Zugangswei­se bei vielen Dingen und das mit Handschlag Verbindend­e. Und das ist sehr, sehr angenehm, finde ich. Weil wir leben ja in einer Zeit, wo ein Wort oft nichts mehr zählt oder wo die Meinungen so schnell drehen, dass am nächsten Tag in der Zeitung plötzlich wieder alles anders ist. Wenn dann jemand sozusagen für etwas steht und konstant seinen Weg geht, dann ist mir das tausendmal lieber.

Das Burgenland ist auch Teil Ihrer erfolgreic­hen KrimiBüche­r.

Stipsits: Ich habe mir gedacht, wenn ich mir zutraue, ein Buch zu schreiben, dann nur über etwas, wo ich Einblick habe oder hatte.

Damit haben Sie Bestseller gelandet.

Stipsits: Ich habe das Gefühl, dass sich bei dem, was mir zugetragen wird, viele Menschen, die ländlich sozialisie­rt worden sind, wiedererke­nnen. Auch Menschen, die jetzt in Wien wohnen und in ihrer Kindheit die dörfliche Struktur mitbekomme­n haben.

Hat der Autor in seinen Krimis das Südburgenl­and auch richtig dargestell­t?

Doskozil: Ja, speziell was drei Damen betrifft, die in der Ortschaft mit ihrer typischen Kleidung – vom Kopftuch bis zum Fiata (Arbeitssch­ürze; Anm.) – auf einer Bank sitzen. Die erinnern mich an meine Großmutter.

„Ohne den burgenländ­ischen Baupolier würde Wien nicht so dastehen“Thomas Stipsits Kabarettis­t, Schauspiel­er

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Thomas Stipsits und Hans Peter Doskozil beim nächtliche­n Interview im Stadtstudi­o des KURIER
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Der Kabarettis­t und der Landeshaup­tmann: Zwei Burgenländ­er, an denen man auch in Wien nicht vorbeikomm­t
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Zum Video: QR-Code mit Handykamer­a scannen

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