Gewinnabschöpfung bei Energiefirmen beschlossen Strompreise.
Gewinne günstiger Kraftwerke sollen zur Entlastung genutzt werden
Die EU-Staaten haben sich angesichts hoher Energiepreise auf europäische Notmaßnahmen verständigt, um Strom zu sparen und Entlastungen zu finanzieren. Die zuständigen Minister einigten sich am Freitag darauf, dass Energieunternehmen künftig einen Teil ihrer Krisengewinne an den Staat abgeben müssen, wie die tschechische Ratspräsidentschaft mitteilte. Mit diesem Geld sollen Verbraucher entlastet werden. Die Einigung muss noch formell bestätigt werden. Den entsprechenden Plan, der nun abgesegnet wurde, hatte die EU-Kommission bereits vor zwei Wochen vorgelegt.
Russlands Krieg in der Ukraine hat die Gaspreise explodieren lassen. Entsprechend sind auch die Strompreise steil nach oben mitgezogen. Das liegt an dem Merit-Order System, nach dem sich der Strompreis immer am teuersten Kraftwerk orientiert – aktuell also an den Gaskraftwerken. Wind, Wasser und Sonne sind zwar nicht teurer geworden, doch die Hersteller von billigem Strom – etwa Öko- oder Atomstrom – können zum festgelegten hohen Preis verkaufen. Dadurch entstehen ihnen ungewöhnlich hohe Gewinne. Österreichs größtes Elektrizitätsunternehmen Verbund etwa, das seinen Strom fast ausschließlich mit Wasserkraft produziert, hat sich im ersten Halbjahr über einen Gewinnzuwachs um fast die Hälfte im Vergleich zum Vorjahr freuen können.
Einnahmen deckeln
Genau diese oft Zufallsgewinne genannten höheren Einnahmen sollen jetzt abgegriffen werden. Künftig sollen die Stromverkäufer höchstens 180 Euro pro Megawattstunde einnehmen können, bestätigen Diplomaten. Zum Vergleich: Im August kostete eine Megawattstunde am Spotmarkt durchschnittlich rund 493,8 Euro, zeitweise kletterte der Preis sogar auf bis zu 750 Euro. Letztes Jahr kostete die Megawattstunde Strom im August um die 83 Euro.
Der Überschuss über die 180 Euro, die Energiefirmen erwirtschaften dürfen, soll in die Entlastung der Bürger fließen. Die Maßnahmen treffen nicht nur die Produzenten von billigem Strom aus erneuerbaren und anderen Quellen, sondern auch Öl-, Kohle- und Gasunternehmen sowie Raffinerien. Sie sollen eine Solidaritätsabgabe von mindestens 33 Prozent auf ihre Übergewinne zahlen.
Die EU-Kommission erhofft sich, mit dieser Maßnahme über die nächsten zwei Jahre Einnahmen von 140 Mrd. Euro zu generieren, die in die Entlastung der Bürger und Unternehmen fließen können.
Verbindliches Stromsparziel
Weiters wurde ein verpflichtendes Stromsparziel von fünf Prozent in Zeiten hoher Nachfrage vereinbart. Zu Nachfrage-Peaks ist der Strom besonders teuer, weil auch teures Gas verbrannt werden muss, um den Bedarf zu stillen. Die EU-Länder sollen ihren Stromverbrauch insgesamt um zehn Prozent senken, das allerdings auf freiwilliger Basis.
Die Minister debattierten auch einen EU-weiten Gaspreisdeckel, wie ihn über die Hälfte der Mitgliedsstaaten gefordert hat. Dieser soll für Gasimporte aus Russland gelten und müsste so hoch sein, dass es für Russland weiter attraktiv ist, nach Europa zu liefern, gleichzeitig aber niedrig genug, dass die EUStaaten sparen. Am Donnerstag hatte die EU-Kommission sich überraschend für ein solches Konzept ausgesprochen. Österreich und Deutschland stemmen sich allerdings dagegen. Die Energieminister beider Länder warnen vor Gefahren für die Versorgungssicherheit.
Auf Bundesebene ist Jörg Leichtfried hinter Parteichefin Pamela Rendi-Wagner die Nummer zwei der SPÖ. Im Club 3-Interview fordert er einen Gaspreisdeckel und geht mit den beiden grünen Ministerinnen Alma Zadić (Justiz) und Leonore Gewessler (Verkehr) hart ins Gericht.
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KURIER: Österreich ist das Land mit den zweithöchsten Ausgaben gegen die Teuerung. Der SPÖ ist das aber immer noch zu wenig. Was soll noch kommen?
Jörg Leichtfried: Wir müssen in den Gasmarkt eingreifen. Die derzeitigen Preise überlasten das Gewerbe, die Dienstleister und die Industrie, die im internationalen Vergleich nicht mehr konkurrenzfähig bleiben kann. Ein Wirt hat mir kürzlich erklärt, er müsse statt 60.000 Euro für Energie nun 600.000 Euro pro Jahr bezahlen. Das kann sich nicht ausgehen. Auch nicht die 400.000 Euro, die es nach der Stützung der Bundesregierung von dieser Woche noch immer sind. Daher muss die EU für alle Mitgliedstaaten Gas kostengünstiger einkaufen und dann billiger an die Mitgliedsstaaten verkaufen. Da brauchen wir einen Deckel von 50 Euro pro Megawattstunde, begrenzt auf zwei Jahre. Österreich kostet das neun Milliarden Euro pro Jahr, aber alleine der Preisvorteil beim Strom wären 21 Milliarden.
Das ist in der EU aber derzeit nicht mehrheitsfähig. Brauchen wir einen österreichischen Alleingang?
Ich habe die Politik in der EU so kennengelernt, dass man auch als kleiner Staat etwas bewegen kann. Aber die Regierung vertritt ja diesen Vorschlag auf EU-Ebene nicht einmal. Die Frau Gewessler und der Herr Bundeskanzler fahren immer ohne Plan nach Brüssel und kommen wieder ohne Plan zurück. Aber wenn es auf europäischer Ebene nicht gelingt, dann muss Österreich den Deckel alleine einführen. Spätestens am 1. Dezember brauchen wir ihn.
Auch im von der SPÖ regierten Wien wurden allerdings die Preise erhöht, im Fall der Fernwärme fast verdoppelt …
Das ist ja fast logisch, weil die Länder nicht die politischen Mittel haben, um Preise ihrer Landesenergieversorger zu senken. Die Unternehmen müssen ja die Preissteigerungen weitergeben.
Kann es auf Bundesebene in absehbarer Zeit wieder eine Koalition von ÖVP und SPÖ geben, oder sitzt die Feindschaft zu tief?
Den Begriff Feindschaft würde ich massiv ablehnen, für mich ist es ein Wettbewerb der Ideen. Was künftige Koalitionen betrifft, sehe ich das sehr trocken. Zuerst muss es so schnell wie möglich Wahlen geben. Diese Regierung streitet ja nur mehr. Zum Beispiel gerade beim Bundesstaatsanwalt.
Wie ist dabei Ihre Meinung?
Ich glaube, dass wesentliche staatliche Organe immer vom Parlament mit breiter Mehrheit bestellt werden sollten. Es darf kein wesentliches politisches Organ geben, das nicht dem Parlament gegenüber gewisse Pflichten haben muss. Dazu kommt ein Vorschlag, der die Untersuchungsausschüsse verunmöglichen will. Da ist sehr, sehr viel daneben gegangen.
Verkehrsministerin Gewessler will den Bau des LobauTunnels verhindern. Wäre der Bau für die SPÖ eine Koalitionsbedingung gegenüber den Grünen?
Was ich bei der ganzen Sache nicht verstehe: Es gibt eine geltende Rechtslage, es gibt Gesetze, die gelten. Wenn man es anders will, muss man die Gesetze ändern. Und die Frau Gewessler weigert sich, einen Gesetzesvorschlag ohne LobauTunnel zu machen. Was da vorgeht, ist ein Angriff auf die parlamentarische Demokratie in unserem Land.